ARG LOSERS BLOG

Elemente und Ursprünge
 
femininer Herrschaft


Sei anders. Sei besser.


 
(40) IQ

Beobachtung (muss verifiziert werden): die männliche Welt ist hierarchisch, also dort, ›wo der Mann etwas zählt‹, auf den maximalen IQ im Raum fixiert – genauer: Intelligenz, gepaart mit Status –, während die weibliche um den mittleren IQ kreist: weiblich ist, wenn alle mitreden können, vornehmlich alle Frauen (was keine Frage des IQ ist, sondern ›weiblicher Kompetenz‹). So weit, so gut: man kann dieses Denken, als ausgleichend-egalitär und gemeinschaftsfördernd, preisen und es wird kaum einen Mann geben, der es nicht goutiert. Anders sehen die Dinge aus, sobald man den weltanschaulichen Bereich in Augenschein nimmt: die ›weibliche‹ Neigung zu Weltbildern, welche die Bedürfnisse einer mittleren Intelligenzklasse befriedigen, darüber hinaus jedoch Fragen aufwerfen, die sie nicht beantworten können – darunter solche, welche die verantwortliche Intelligenz notwendig stellt und stellen muss, weil die Antworten sich auf die Entscheidungsfindung in komplexen Zusammenhängen auswirken. Es ist nicht wahr, dass die Abneigung gegen intelligente Frauen vorzugsweise auf Männermist wächst. Sie wird von einer unbestimmten, aber gewiss nicht geringen Zahl von Frauen geteilt, wenn nicht sogar unterschwellig geschürt. Besichtigen lässt sich das Ergebnis in praktisch allen Bereichen der feminisierten Kultur: auf dem Buchmarkt ebenso wie in den Kreationen der Ausstellungsmacher, die hin und wieder noch ahnen lassen, wer da wen zum Wahnsinn getrieben haben mag. Die stärksten Eindrücke verschafft, wie fast immer, die Politik. Wo Gunst und Hass die Szene beherrschen, feiert der unerklärte Krieg gegen die Intelligenz seine bizarrsten Triumphe und alle wissen schon, wie Frauen ticken.

(39) Mannsbilder

Bricht irgendwo ein Krieg aus, dann stellt sich die Frage der starken Männer. Während der feminisierte Mann sich den Kriegsherrn nur als ›Verrückten‹ vorstellen mag, kehrt der feministische Pulk ›mit großer Mehrheit‹ umgehend zum ältesten Topos zurück und verlangt nach Männern – echten Kerlen, die ›es‹ zu richten vermögen, auf dass es dem Weiblichen an nichts fehle. Dem Feminismus macht es nichts aus, den Feminismus als Sünde an den Pranger zu stellen: als männliche Sünde wohlgemerkt, denn er selbst bleibt dabei unbefleckt wie am ersten Tag. Nur der originäre Männerhass, den es bei alledem auch gibt, spricht eine andere Sprache. Für ihn ist alle Gewalt männlich und jeder Gewaltausbruch eine Männerverschwörung. Dabei lässt sich die Frage nicht von der Hand weisen, ob die berühmte ›Männerkonkurrenz‹ an der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide nicht gerade durch das massenhafte Auftreten sexuell unterfütterter weiblicher Erwartungen unausweichliche Züge bekommt. Während es im Privatleben fast immer möglich ist, dem Kampf Mann gegen Mann auszuweichen, kommen die Staaten samt ihren Lenkern sich unausweichlich in die Quere, wenn die Sach-, sprich Interessenlage es gebietet. Auch regierende Frauen müssen dann, wie einst Maggie Thatcher, ›ihren Mann stehen‹. Bequemer ist der Ruf nach dem richtigen Mann schon. Gezaust wird später.

(38) Apropos Feigheit

Warum Genderpolitik die Feigheit fördert

Zunächst verdient festgehalten zu werden, dass jede Art ideologisch überwölbter Politik die Feigheit fördert, weil sie falsche Beistimmung zur Voraussetzung dafür erklärt, dass jemand im Konzert überhaupt eine Stimme besitzt. Genderpolitik ist Symbolpolitik, das heißt Beistimmungserzwingung ohne irgendein rechtfertigendes Interesse als das der Vorteilsnahme. Vorteilsnahme aber … funktioniert immer nur auf der individuellen Ebene, ergänzt und erweitert durch die Schar der Klienten, die sich etwas davon erwarten, dass einer den Reibach macht oder auf andere Weise kassiert. Das aber heißt … wer widerspricht, und nur leise, bekommt es sofort mit dem krassen Ich zu tun, dem unangenehmsten Gegner von allen. »Wer den aktuellen Genderdiskurs in Frage stellt, der will mir etwas wegnehmen« – das ist der Subtext aller Genderei und eine der ergiebigsten Quellen der Korruption. Sind wir nicht alle korrupt – mehr oder weniger? Warum also nicht mehr? Besonders übel dabei: das krasse Ich kommt nicht bloß als Gegenüber ins Spiel, es schraubt sich zugleich aus den eigenen Tiefen empor. Bin ich nicht auch ich? Habe ich nicht auch ein Recht auf meinen Vorteil? Habe ich überhaupt das Recht, mich in eine nachteilige Position zu versetzen, indem ich auf irgendeiner Wahrheit beharre, die mir im Grunde meines Herzens völlig schnuppe ist? Was geht es mich persönlich an, ob die Natur beim Menschen zwei oder fünfzig Geschlechter vorrätig hält? Oder ob Frauen die besseren Schachspieler sind, obwohl die meisten mit dem Spiel ›nichts anfangen‹ können? Augenscheinlich nichts. Also: Halte dich raus! Diese Frau ist für den Posten ungeeignet, den man ihr zuschustern will – na und? Man will eine Frau, irgendeine, auf Biegen und Brechen, und da steht eine, die sagt oder suggeriert oder droht: Wenn ihr mich nicht nehmt, dann seid ihr Sexisten. Wer will schon Sexist sein? Was, bitte, ist ein Sexist? Das sind doch nur Wörter. Wer ruiniert sich für Wörter?

(37) Zukunft ist weiblich

Bekanntlich existiert der Feminismus in zwei Varianten, die sich in zahlreiche Untersekten zersplittern: einer katholischen und einer protestantischen. Die katholische stellt den weiblichen Körper und seine Sexarbeit in den Mittelpunkt, die protestantische würde am liebsten den Unterleib als Erfindung von Cis-Männern brandmarken und seine Ansprüche öffentlich verbrennen. Das legt den Gedanken nahe, dass der zweite Feminismus insgesamt seine wesentlichen Motive weniger der älteren Frauenbewegung als dem Christentum verdankt, jedenfalls dann, wenn man nicht dessen kirchlich-dogmatische Gestalt, sondern seinen ideologischen Wildwuchs in der Gesellschaft zu Grunde legt. Das ist deshalb von Belang, weil dadurch die Doppelfigur aus Erlösungswunsch und sozialem Anpassungsdrang ein Stück verständlicher wird. Wer den Spruch ›Die Zukunft ist weiblich‹ plakatiert, der phantasiert sich aus der anders gestrickten Gegenwart heraus (oder macht gläubigen Seelen etwas vor) und reproduziert damit nach gängigem Vorbild das christliche Jenseits als soziale Utopie. Wer hingegen jede als progressiv geltende politische oder soziale Bewegung umarmt, weil es darum geht progressiv zu sein, der pflegt den Konformismus des Schönseinwollens und ist damit leichte Beute für jede Kraft, die sich auf die Inszenierung gesellschaftlicher Moden versteht. Wenn man bedenkt, dass das Christentum vermutlich durch kluge Bewirtschaftung der Sexualität, insbesondere der weiblichen, zwei Jahrtausende überlebt hat, dann versteht man, dass dem Feminismus zweierlei Zukunft offensteht. Im einen Fall beerbt er das Christentum nach dem Motto »Wo es war, will ich sein«, im anderen wird er, nach einer Zeit heidnisch inspirierter Unruhe, fromm. (Anzeichen dafür existieren bereits in der Politik.)

(36) Darum geht’s nicht

»Ich nehme dich, wie du bist«, sagt der Hunger zum Ei. »Aber wie bin ich denn?« fragt das Ei. »Das werden wir gleich haben.« Nein, darum geht es wirklich nicht. Immer und immer wieder stößt man beim Versuch, der ›weiblichen Deutung‹ der faits sociaux analytisch zu folgen, auf dieses ominöse »Darum geht’s nicht«. »Worum dann?« ist man versucht zu fragen, wohl wissend, dass man damit oft genug einen Fauxpas beginge. Selbst die verbissensten Feministinnen wissen, dass weiblicher Kinderwunsch und ›volle Teilnahme am beruflichen Leben‹ nicht wirklich zusammen zu haben sind. Daran ändert auch das Gaukelbild des gebärenden Mannes nichts. Gleiche Teilnahme am Berufsleben bedeutet, den Müttern ein Aufgabenplus aufzubürden, das allen Entlastungangeboten zum Trotz nicht weggeht. Man kann sich in die familiäre Arbeit teilen, man kann in begrenztem Umfang Rollen tauschen, aber die biologische Ganzheit ›Mutter‹ lässt sich, außer im modernen Märchen, ebenso wenig teilen, tauschen oder wechseln wie die des Erzeugers. Doch darum geht’s nicht. Dabei geht es um fast nichts anderes, werden die Tonlagen erst schriller. Das demonstrieren nicht zuletzt all jene jungen Menschen, die sich Jahr für Jahr auf die Suche nach ihrem Vater oder ihrer Mutter begeben, nachdem die Fiktion ihrer Herkunft zerstob. Aber was heißt das? Es heißt, dass Gleichstellungspolitik an dieser Stelle kräftig zu irrealisieren beginnt. Und wirklich ist es praktisch für eine fordernde Politik, hier eine Forderung gefunden zu haben, die nicht weggeht, weil sie nicht eingelöst werden kann. In der Praxis selbst heißt es: Frauen und Männer machen sich unentwegt etwas vor. Und darum geht es … hm, nun ja … auf keinen Fall. Warum eigentlich?

(35) Auszeit

Frage eine der genderpolitisch versierten Frauen nach konkreten Benachteiligungen der Frauen und es wird ihr unendlich vieles einfallen – während du geduldig wartest und sie ihr goldenes Haar strähnt. Andere lachen dir ins Gesicht: »Ich? Benachteiligt? Das müsste ich wissen.« Es ist, wie so oft, eine Frage des gesellschaftlichen Bewusstseins. Aber auch darum geht’s nicht. Anders als das frühere Proletariat bilden ›die‹ Frauen keine Klasse, entwickeln daher auch kein Klassenbewusstsein. (Das Klassenbewusstsein der ›höheren‹ Gesellschaft sei hier ausgeblendet.) Eher ist es das angesagte Gesellschaftsspiel, das sie beflügelt. Es bietet den Vorteil, dass man es im Bedarfsfall ruhen lassen und wieder aufnehmen kann, ganz nach Belieben. Sich eine Auszeit nehmen – diese vertraute weibliche Regung überwölbt auch den politischen Kampf und seine Erfordernisse im privaten Bereich. Nach den Gründen zu fragen wäre nicht nur indiskret, sondern auch indezent. Schließlich liegen sie in einer Region, die der kämpferische Feminismus unter ›Schwäche‹ rubriziert und am liebsten von der menschlichen Landkarte tilgen würde. Erst die sich inszenierende Mutter – gleichgültig, auf welchen Wegen sie dazu wurde – ist als gesellschaftliches Leitbild wieder gefragt. Die starke Mutter stellt einen ideologischen Kompromiss dar. Die Gesellschaft akzeptiert das Unvermeidliche, das nicht ausgesprochen werden darf (obwohl es einen aus den Klatschblättern anspringt), und verlangt dafür volle Kontrolle über die Ausgestaltung der Folgen. Betroffen ist auch das Mannsbild: als Hengst irrt es zwischen den Parteien umher, angehimmelt und verschrieen in einem Atemzug.

(34) Schwache Frauen

Feministische Politik bedeutet Gleichstellungspolitik. Gleichstellung bedeutet … Durchsetzung der Frauenrechte in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft. Soll heißen, was Frauen im Alltag nicht aus eigener Kraft gelingt, das soll der Gesetzgeber richten. Zwar wird das nirgends so formuliert (es könnte eine Diskriminierung, jedenfalls einen Empörungsanlass enthalten), aber es ist des Pudels Kern. Der Gesetzgeber tritt, ist einmal dem ›formalen‹ Gleichheitsgrundsatz Genüge getan, als Beschützer der Frauen zwischen die Geschlechter, als Mentor, Ratgeber, großer Bruder, richtungweisende Instanz, Gleichstellungsbeauftragte … vage taucht auch der ›Beichtvater‹ am Horizont der Möglichkeiten auf. Ist das, so formuliert, ›feministisch‹? Da müssen manche gewaltig schlucken. Es nützt ja nichts, den großen Bruder durch die große Schwester oder den Beichtvater durch die Beichtmutter zu ersetzen. Frauenrechte stärken bedeutet in dieser Perspektive: den Frauen, wie sie nun einmal beschaffen sind, zur Hilfe zu eilen – Ivanhoe der schwarze Ritter lässt grüßen.
Typischerweise enthält das Paket, als Hilfe zur Selbsthilfe, neben nützlichen Anleitungen für den Alltag vor allem psychologische Handreichung. Der Kult der ›starken Frau‹ verrät, dass die schwachen Frauen hier das Problem sind, und zwar nicht irgendeines, sondern der Kern der Angelegenheit. Man kann es für selbstgestrickt halten und nach seiner empirischen Basis fragen. Natürlich existiert eine solche Basis. Kriminelle Gewalt gegen Frauen, häuslich oder nicht, ist ein hässlicher Begleiter des gesellschaftlichen Alltags. Doch darum geht’s nicht. Worum dann? Politisch gesehen geht es darum, aus dem Bewusstsein dieser allgegenwärtig lauernden Gefahr ein Maximum an gesellschaftlichem Kapital zu schlagen. Gewiss, man findet sie, wenn man sie sucht, die schwachen Frauen, so wie man schwache Männer finden würde, sofern sich jemand für sie interessierte. Es gibt auch erfolglose Männer, und nicht zu knapp. Als Objekte sexualisierter Fürsorge allerdings treten sie nicht in Erscheinung. Die supponierte Schwäche der Frauen hingegen löst sämtliche Reflexe aus, gegen die der Feminismus, soweit er die Unabhängigkeit des Geschlechts forciert, ebenso hartnäckig wie erfolglos angeht. Dabei ist sie vor allem ein Topos. Ob männlich oder weiblich, darüber lässt sich endlos streiten. In Wahrheit nützt er beiden Geschlechtern. Er ist der Ball auf dem Spielfeld. Solange er rollt, sind beide Parteien im Spiel.

(33) Genderkolonialismus

›Feministische Außenpolitik‹ bedeutet über kurz oder lang Krieg. Meist gehört sie ohnehin bereits zur Rhetorik des Krieges und dient der Befriedigung der eigenen Bevölkerung: Seht her, wir tun was. Was sie da tun, zeitigt über kurz oder lang gänzlich andere Ergebnisse, als die ewigen Träumer immer aufs Neue erwarten. Überdies ist die Rhetorik kolonialistisch: Man führt Krieg gegen ganze Gesellschaften im Namen einer Zivilisation, von der nur noch die Frauenrechte, ergänzt um die der Homosexuellen und Diversen, übrig geblieben sind, vornehmlich deshalb, weil die restlichen Werte bereits in früheren Kampagnen verbrannt wurden. Der Genderkolonialismus beerbt den Rassenkolonialismus. Dabei kümmert er sich so wenig um direkte und indirekte Folgen wie jener. »Was zählt, sind Interessen.« Sind sie bedient und die Unkosten wachsen in unvernünftige Höhen, dann greift das ewige Darum-geht’s-nicht der Politik: Darum ging es nie, wie könnte es jetzt? Und die Meinungsbildner überschlagen sich plötzlich in realpolitischen Einsichten. Wer sie nicht teilt, für den wird es naturgemäß eng.
»Niemand hat die Absicht, den Feminismus zu instrumentalisieren.« Das ist auch nicht nötig, denn er weiß seine Ansichten am besten zu vermarkten. Man kann sein segensreiches Wirken dem der Stromnetze vergleichen, die tagaus tagein dafür sorgen, dass die Lichter der Großstadt niemals ausgehen und das Badewasser ihrer Bewohner nicht kalt wird. Man muss nur die passenden Schalter betätigen.

(32) Bewusstsein ade!

Nein, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern wird nicht eher zur Ruhe kommen als das Geschlecht selbst. Schließlich geht es um das ganz persönliche Lebensglück jedes Einzelnen. Mehr, es geht um ›Erfüllung‹. Keine Politik und kein Rechtssystem dieser Welt kann aber Erfüllung stiften, schon gar nicht die Gesellschaft (in dieser Hinsicht ohnehin bloß ein giftiges Abstractum). Alles, was in jenen Regionen beschlossen wird oder Usus ist, lässt Heerscharen von unbefriedigten und unglücklichen Existenzen vor verschlossenen Türen zurück. Der sicherste Weg, das persönliche Glück zu verfehlen, ist der permanente Krieg der Geschlechter. Außer den ganz Verblendeten wissen das alle Beteiligten. Kein Wunder also, wenn dieser Krieg, ganz nebenbei, einen Abgrund an Heuchelei eröffnet. Man kann diese Heuchelei, nach einem andernorts geprägten Begriff, ›organisch‹ nennen. Sie hat es nicht nötig, sich den Handelnden zu erkennen zu geben. Das Beste, was allen passieren kann, ist, dass sie ihr Werk subkutan verrichtet und damit immer wieder zu Handlungen – mitsamt den sich daraus ergebenden Lebenslagen – führt, welche die beteiligten Gesinnungen Lügen strafen, ohne dass es jemandem auffällt. Es gab Zeiten, da nannte man dergleichen ›falsches Bewusstsein‹. Heute, da man weiß, wie falsch – und verheerend – ›richtiges Bewusstsein‹ sein kann, hat auch der Begriff des falschen gelitten. Eigentlich mag niemand mehr von Bewusstsein reden, kaum dass man es schafft, sich einigermaßen in der Balance zu halten. Pfeif auf das Bewusstsein! ruft das Bewusstsein dem Einzelnen zu, sein Ruf ist mehr ein Pfiff, der schnell zwischen den Häusern verhallt.

(31) Pyrrhussiege

Die meisten feministischen Siege sind Pyrrhussiege, da sie rein symbolischer Natur sind und Frauen wie Männer vor den Kopf stoßen. Mit Sicherheit zählt dazu die Verunstaltung der Sprache durch Asterisk und Binnen-I oder die Entfernung von ›Vater‹ und ›Mutter‹ aus amtlichen Dokumenten zwecks Hebung des Kindeswohls. Dergleichen hält die Riege der ausgewiesenen Feministinnen klein. Es vergrößert aber die Zahl der Trittbrettfahrerinnen, die nur ihr persönliches Fortkommen im Kopf haben und gewillt sind, ›alles‹ dafür zu tun. Es vergrößert auch die Zahl der männlichen Trittbrettfahrer, die sich schützend vor den jeweils neuesten Errungenschaften der Gender-Industrie aufbauen, teils aus Beschützerinstinkt, teils aus schnöder Berechnung. Nichts verschließt männlichen Konkurrenten wirkungsvoller den Mund als der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit. Überhaupt ist unterstellte Frauenfeindlichkeit eine Allzweckwaffe. Sie erinnert einerseits an den primitiven Faustkeil, andererseits an Waffensysteme, die Waffennarren gern als ›sophisticated‹ bezeichnen. So einfach es ist, sie anzuwenden, so leicht kann sie sich gegen jeden wenden, der sie als erster in Anschlag bringt. Im weiblichen Lager hingegen tobt seit langem der Kampf um die Deutungshoheit: Wessen Frauenfeindlichkeit ist die wahre? Das hat dem Ausdruck ›Zickenkrieg‹ zu neuem Leben verholfen: altbackener Häme, ebenso töricht wie hinterhältig. Denn so verschließt man die Abgründe der Sache selbst vor den eigenen Augen. Selbst die frauenfeindlichste Gesellschaft stellt einen Kompromiss zwischen den Geschlechtern dar. Profiteurinnen gibt es hier wie dort – also auch Grund, sich zu beschweren, wenn irgendwo die Regeln geändert werden sollen. Nicht jeder Vorteil für alle liegt so auf der Hand wie das Frauenwahlrecht oder die Erlaubnis, Auto zu fahren.

(30) Geschlechterverhältnis

Wer glaubt, feminine Herrschaft sei die Herrschaft der Frauen, der erliegt einem Missverständnis. Es ist nicht nötig, dass Frauen überall die (bessere) Hälfte der Führungspositionen erobern, um diese Art der Herrschaft durchzusetzen. Nein, ich meine jetzt nicht die wohlbekannte ›Tyrannei der Minderheit‹. Feminine Herrschaft ist, wie jede Art etablierter Herrschaft, strukturell. Sie basiert nicht auf körperlicher Präsenz, sondern auf Abwesenheit, ergänzt durch symbolische Präsenz. Dem Gender-Mainstreaming, einmal durchgesetzt, genügt die physische Anwesenheit einer einzigen Frau, der dabei vielleicht ganz andere Gedanken durch den Kopf wandern. Es handelt sich um eine etablierte, fest in den Köpfen verankerte Praxis, aus der keiner ausscheren kann, ohne sich mit seinen männlichen Kollegen anzulegen. Wenn jeder das ›Geschlechterverhältnis‹ im Kopf hat, sobald Entscheidungen anstehen, dann werden diese Entscheidungen sub specie des Geschlechterverhältnisses gefällt, was immer man dabei auch redet und wessen Interessen damit gedient ist. Und was ist dieses ominöse Geschlechterverhältnis? Die Welt, gesehen durch die Brille des kämpferischen Feminismus. Die Brille mag angekratzt oder outdated sein, nutzlos ist sie deswegen nicht. Gehorsam, der nicht ein wenig Groll oder Besserwissen verspürte, ist keiner. Will sagen, eine Denkweise, die, von tausenden mehr oder weniger gedankenlosen Propagandisten täglich aufgefrischt und verbreitet, allgemein geworden ist, ist einfach die herrschende Ideologie der Gesellschaft, gegen die niemand, ich betone: niemand praktisch oder theoretisch angeht, ohne dass er mit Sanktionen rechnen müsste. Ob Mann oder Frau oder divers, spielt dabei keine Rolle.

(29) Leyenda negra

Wer im Weiblichen nur ein Opfer männlicher Gewalt sehen möchte, der huldigt der Lüge – jedenfalls schließt er sich an eine leyenda negra an, deren Zweckbestimmung ins Auge sticht. Man findet genügend Frauen, die gegen diese Sicht der Dinge aufbegehren, da sie ihrer Lebenswirklichkeit nicht entspricht und elementaren Unfrieden stiftet. Was ja nun auch ihre Aufgabe ist. Allerdings sind dabei zweierlei Unfrieden zu bedenken: einer, der einen faulen Frieden aufkündigt, und einer, der den Frieden negiert, weil Krieg den Absichten seiner Anstifter besser entspricht. Der kämpferische Feminismus ist, vielleicht ohne dass es seinen Exponentinnen auffiel, nach und nach in einen auf den Krieg der Geschlechter fixierten Anarchosyndikalismus mutiert. Er betrachtet den permanenten Kampf als Sinnstiftung, als die einzig legitime Weise, Freiheit zu leben. Der rhetorischen Beispiele sind genug. Für zwei bis drei der heute lebenden Generationen gehört die Kampfrhetorik ebenso zur weiblichen Grundausstattung wie high heels und Handtasche. Die Manier, alles und jedes im Leben als Kampf zu betrachten, bei dem es darauf ankommt, Stärke zu zeigen, stellt das Problem des Stärkeren in den Raum, ohne es zu lösen. Gelöst wird es in jenen Hollywood-Produktionen, in denen, zum Ergötzen vorwiegend männlicher Zuschauer, weibliche Kampfmaschinen die erstaunlichsten Leistungen an Körperkraft, Reaktionsvermögen und vor allem mentaler Abgebrühtheit vollbringen, ohne dass ihr Teint, von anderem zu schweigen, an erotischer Strahlkraft einbüßte. Es freut die Herren, wenn die Damen kämpfen. Allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wird er überschritten, ziehen sie die sichere Entfernung vor.

(28) Yin und Yang

Wer nicht irgendwann den Gedanken ›empfunden‹ hat, das Universum sei weiblich (oder trage zumindest ›weibliche Züge‹), der ist mit der Welt der Mythen nicht in Berührung gekommen. Was in etwa bedeutet: er hat nie gelebt. Soll heißen, das imaginäre Weibliche trägt Züge elementarer Grausamkeit, die der Feminismus (oder sein aktueller Zweig) gern vergessen lassen möchte. Hinzu kommt eine Aura des Entsetzlichen, das über jede Tat hinausgeht und wirklich das Ganze meint. Das Ganze ist vorgestellte Ordnung und schließt den Schauder darüber, was alles in Ordnung geht, ein. Dass die Astrophysik an der Ewigkeit dieser Ordnung kratzt, die doch im Mythos nur die ewe umfasst, das Weltalter, ändert nichts an der elementaren Asymmetrie der Geschlechter. Eingebettet in sie scheint erst die polare Geschlechtersymmetrie auf – Yin und Yang. Die öffentliche Rhetorik des feministischen Zeitalters hat sie zu einer nirgends existierenden Gleichheit der Geschlechter verflacht (Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt schaffen, wo sie verwirklicht sind, Zonen, in denen es gerade nicht auf das Geschlecht ankommen sollte). Im mythischen Universum befindet sich das Männliche in ewigem Aufruhr gegen die umfassende Ordnung, ohne sie je außer Kraft zu setzen. Wenn das Weibliche das letzte Wort hat, dann arbeitet das Männliche daran, es mittels Verfahrensfinessen hinauszuschieben – möglichst auf den St. Nimmerleinstag, wann immer der anbrechen mag. Zu diesen Finessen gehört auch der gütige Vater im Himmel, dessen Existenz über diese Welt – und alle mythisch-astronomischen Welten – hinausweist. Die Botschaft des Jenseits lautet: Never surrender! Kein Wunder, dass die frommen Frauen sich in der Scheintugend der Ergebung gefallen.

(27) Froileins

Der betagte Philosoph P aus Michigan, der drei Jahrzehnte lang nicht in Deutschland gewesen war, zu Ts Sekretärin: »Wo sind denn all die Froileins hin? Es gibt keine Froileins mehr in Deutschland. What a mess!« Die Sekretärin grinst ihm breit ins Gesicht, die Gattin reagiert verstimmt und zieht den sich sträubenden Emeritus aus dem Zimmer. T erzählte mir die Geschichte in der Mensa. Heute muss ich an sie denken, als die Schriftstellerin AS auf Facebook über den lebenslangen Kampf klagt, den sie gegen die Anrede ›Fräulein‹ führen musste. Sie hat das Bedürfnis, den Ausdruck ›Herrlein‹ spazierenzuführen, als wollte sie damit sagen: »Seht ihr, so schlimm klingt das!« Ich schrieb: »Bedenken Sie: ein Herr ist immer ein Herr, selbst wenn er keiner… Dass es die Dame in Deutschland (anders als in Frankreich und England) nicht unter die Anreden geschafft hat, liegt daran, dass es kein Titel ist. Ich nehme nicht an, dass eine Frau die Anrede ›Mein Herr‹ jemals wörtlich genommen hat. ›Meine Frau‹ hingegen ist das Äquivalent zu ›Mein Mann‹, welches keine Anrede darstellt. ›Mein Fräulein‹ allerdings schon. Man muss ein wenig Sprachgeschichte verstehen. ›Herr Sowieso‹ war die Anrede für den Bürger, der es leid geworden war, als ›Bürger‹ oder ›Er‹ in der dritten Person angeredet zu werden. ›Frau Sowieso‹ trug den Namen ihres Gatten und jeder durfte sich fragen, welcher Familie (und welchem Milieu) sie entstammte. Will sagen: Die Unterscheidung Frau/Fräulein in der alltäglichen Anrede gehört dem bürgerlichen Zeitalter an und ist Bestandteil seines Rechtssystems, das nicht mehr das unsere ist. Ansonsten lebe ich lang genug, um erfahren zu haben, wie gern Frauen mit wechselnden Anreden spielen. Insofern: Ich küsse Ihre Hand, gnä’ Frau! Anders gesagt: Bei Ihnen spiel’ ich gern Herrlein. Alles zu seiner Zeit.« Natürlich goutiert sie nichts davon. Ich nehme an, insgeheim ärgert sie sich, nicht als Burgfräulein geboren zu sein.

(26) Hoheiten

Und dennoch, dennoch – bereitet sich in der surrealistischen Überhöhung des Sexus vermutlich der feministische Gegenschlag vor. Denn worin besteht, genau betrachtet, die Gender-Masche? Sie stößt die surreale Frauen-Imago in die Sprachlosigkeit und errichtet darüber den Scheiterhaufen des ›Darum-geht’s-nicht‹, während alle Welt beiderseits der Geschlechtergrenze davon überzeugt ist, dass es gerade darum geht. Indirekt redet auch sie von nichts anderem, aber in einer Sprache, welche die direkte Konfrontation vermeidet. Es handelt sich also um die Epiphanie des Indirekten als fällige Antwort auf die Direktheit der Körpersprache. Die Frage ist nur: Was soll es antworten? Ohnmächtig dem Fluss der Bilder ausgeliefert, entsinnt es sich der stärksten Waffe der Kultur, des Tabus, das aufzulösen einst die Psychoanalyse (und der Surrealismus in ihrem Gefolge) antrat: Wo Es ist, soll Ich werden, wie Freuds bekannteste Formel lautet. Daraus wurde bekanntlich nichts. Die gestylten Hoheiten des Alltags sind vom Ich so weit entfernt wie Alpha Centauri vom hiesigen Sonnensystem. Entsprechend weit geht das postmoderne Tabu an der Wiedererrichtung des Freudschen Es vorbei. Mit einem dialektischen Trick benützt es die Allgegenwart des Sexuellen, um die Machtfrage neu zu stellen. Die Bühne ist freigeräumt: Kein männliches Über-Ich verstellt mehr den Blick auf die symbolischen Realitäten. Der Sexkult der ›Bilder‹ (Imagines) ist der unverborgene Hebel, der die Etablierung von Gender-Macht erst ermöglicht.

(25) Imagines

Frauenbilder… Die weltweit virulenten imagines, an denen sich jede Frau instinktiv am Spiegel orientiert, stammen aus den Ateliers der Surrealisten, von wo sie in die Mode und den Film als Massenware der Traumproduktion entschwirrten. Surreal ist der Auftritt der Laufsteg-Girls und ihrer Abziehbilder in den Einkaufsstraßen der großen Städte. Was die Modebranche ›perfekt‹ nennt, ist die gelungene Verschmelzung von Bild und body, die Semi-Illusion des Weiblichen als Dauerangriff auf die Seelenruhe des sexuell erregbaren Menschen, gleichgültig, ob Mann oder Frau. Sie strahlt von den Großplakaten der Fußgängerzonen wider, die das magische Dreieck bevorzugt auf Augenhöhe postieren (und damit auch die Illusionsfähigkeit des Geruchssinns testen). Der Kult des perfekten Körpers mordet den Anblick der übrigen, da er ihnen die Deckung entzieht, die sie benötigen, um in der Konkurrenz mitzuhalten. Er zeichnet verantwortlich für den Aufmarsch der Hässlichen, die in ihrer Not Zuflucht bei der Orwellschen Formel hässlich = schön suchen und darin von ihren psychotherapeutischen Beiständen unterstützt werden. Alles für die Katz! Aber es hält das Konsumrad am Laufen. Als Sektenausweis gilt dagegen die Hardcore-Feministinnen-Formel schön = hässlich. Sie ist, wenn man so will, schön hässlich und färbt auf jene ab, die sie im Munde führen. Damit kommt sie vielleicht dem surrealistischen Impetus näher, als ihnen bewusst ist.

(24) Dialektische Ausflüge

Was ich sagen will: Der Feminismus des Westens hat irgendwann die Ursünde aller Modernisten begangen, ›die Frau‹ neu entwerfen zu wollen, nachdem der Kampf um die Frauenrechte erst langweilig, dann obsolet wurde. Man kann eine Menschengruppe, und sei es die größte denkbare, nicht entwerfen ohne die Absicht, sie zu unterwerfen. Um das zu kaschieren, haben sich die Aktivistinnen der Bewegung zu neuen Frauen erklärt, sozusagen zu Mustern der kommenden Weiblichkeit, und alle anderen zu willigen Erziehungsobjekten oder wahlweise, bei fehlendem Willen, zu Verräterinnen am eigenen Geschlecht und damit an der Zukunft der Menschheit. Aber auch die Hyperprogressiven sind in die Falle gegangen: Sie besitzen nun nichts als ihre neue ›Frauheit‹, die sie mit Zähnen und Klauen verteidigen und streitbar in alle Verhältnisse, in denen Kompetenz gefordert wäre, einbringen müssen. Sie sind also, sofern sie sonst nichts weiter besitzen, käuflich. Man überlässt ihnen die Sprache als Spielzeug und setzt sie überall ein, wo Widerspruch nicht erwünscht ist. Das einzige, was gegen diese Form des modernen Sklaventums hilft, ist Geldadel. So sieht man das Völklein der höheren Töchter dort einrücken, wo ›frau‹ an leitender Stelle gebraucht wird, damit die ideologische Balance stimmt. Sie verströmen den Zauber des Authentischen, sie verfügen über die Fähigkeit, Mauern zu zersingen und nützen sie, wann immer es zu ihrem Vorteil ausschlägt.

(23) Urvergehen

Die großen Verbrechen finden nicht im Verborgenen, sondern vor aller Augen statt. Man sieht die Wand, die verbirgt, indem sie zeigt. Alles eine Frage der richtigen Dimensionierung: diese Überzeugung verbindet den Entrepreneur mit dem großen Verbrecher. Manche Verbrechen sind so riesig, dass tausende von Händen zu ihrer Ausführung nötig sind, Hände von Mitwirkenden, also Mitverbrechern. Doch auch diese Vorstellung verblasst angesichts von Projekten, die zu groß sind, als dass sich die Frage nach den alleinigen Urhebern oder Letztverantwortlichen abschließend beantworten ließe. Schon die Suche nach ihnen gilt dann in bestimmten Kreisen als ›obszön‹. In diesem Sinne sind Weltkriege Jahrhundertverbrechen. Daneben gibt es schleichende, deren wahres Ausmaß durch Länge und Verzweigtheit lange unerkannt bleibt, verhängte Kollektivschicksale ohne Subjekt wie die sukzessive Veränderung von Lebensweisen mit dem Tod als Zielpunkt, bei der sich alle Beteiligten die Hände in Unschuld waschen. Das muss nicht der biologische Tod, es kann auch der Tod der Freiheit sein, der republikanischen insbesondere. So gelten Zwangssterilisierungen, vor allem größeren Ausmaßes, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber die dahinter stehende Ideologie lebt munter fort und sucht sich andere Ventile. Spinnt man den Gedanken zu Ende, dann stößt man unweigerlich auf das von Kant formulierte Urvergehen, den Menschen als Objekt, nicht als Subjekt des eigenen Handelns zu betrachten. Es steht am Anfang der Übel und dennoch wird es alle Tage millionenfach begangen.

(22) Masse Frau

In der Massengesellschaft ist es unmöglich, alle zu kontrollieren. Warum, in aller Welt, wird dann der Totalitarismus zu einer ihrer ständigen Versuchungen? Doch wohl, weil erst in ihr Gesinnungen sich ›viral‹ verbreiten können, durch anonyme Ansteckung, wenn man so will. Die Theorie, der zufolge Gedanken durch psychische Ansteckung weitergetragen werden, besitzt, wie abstoßend in der Sache auch immer, zweifellos ihr Gutes, weil sie diesen Aspekt herausarbeitet. Der Siegeszug des ›primitiven‹, synthetisch-plakativen, über Zauberwörter und Bilder, insbesondere bewegte, in Schwingung gehaltenen Denkens hat alle Bewegungen des 19. Jahrhunderts, so weit sie sich ins zwanzigste retten konnten, affiziert, mehr, es hat sie grundlegend verwandelt. Der Feminismus des zwanzigsten Jahrhunderts ist nicht der Feminismus des neunzehnten Jahrhunderts. Er bleibt aber eine treibende, keine herrschende Kraft. Das hat sich geändert. Heute herrscht der Feminismus in bestimmten Lebensbereichen unumschränkt, in anderen subkutan – Widerstand zwecklos. Das ›Bild der Frau‹ ist nicht bloß Metapher oder Mythos, es ist ein ›Ikonen‹-Konglomerat, aus dem niemand schlau wird, hervorgebracht und millionenfach reproduziert von einer Industrie, in der zu viele Personen ihr Auskommen finden, als dass Auflehnung sinnvoll erschiene. Man resigniert vor ihr, übrigens Männer und Frauen, niemand mache sich da etwas vor.

(21) Totgesagte leben länger

Wer die bürgerliche Kleinfamilie verachtet, der hat Europa nicht begriffen. Sie hat die psychischen und sozialen Grundlagen für seinen kometenhaften Aufstieg geschaffen, vermutlich auch ein paar genetische, die für das gegenwärtige ›Bewusstsein‹ tabu sind, obwohl eifrig daran geforscht wird. Seit den Schriften Fouriers zieht sich diese Verachtung durch die sozialistische (und anarchistische) Literatur, sie hat im Gefolge der sozialistischen Revolutionen seit 1917 die politische Bühne erobert und stellt mittlerweile in den liberalen Gesellschaften das Festhalten am hergebrachten Modell unter Diskriminierungsverdacht. Dennoch zeigen einschlägige soziologische Studien, dass es nach wie vor von der Bevölkerungsmehrheit, insbesondere der kinderzeugenden und -aufziehenden, gelebt und verteidigt wird. Die Befreiung der Frau vom ehelichen Joch scheint unbefriedigend verlaufen zu sein, was jeder, der über ein wenig kulturhistorisches Wissen verfügt, mühelos nachvollziehen kann. Bekanntlich ist Hera die Hüterin der Ehe und ihr Zorn kann furchtbar sein. Man mag das, wie vieles, herunterquatschen und über den Leisten der Rollenkritik schlagen, aber aus der Welt schaffen lässt es sich nicht. Die besten Schriftsteller haben sich gehütet, die eheliche Eifersucht zur minoren Macht zu erklären.

(20) Schütteres Ich

Die Zähmung des Sexuellen ist Aufgabe von Kultur, jeder Kultur, entsprechend barbarisch funktionieren einige ihrer frühen Modelle. Da sie, wie nahezu alle Praktiken der Kultur, religiös sanktioniert sind, halten sie sich lange, sehr lange auch in Gesellschaften, die einen höheren zivilisatorischen Standard erreicht haben – sei es als halb verdeckte Volks- oder Minderheitenpraxis, sei es als bloß religiöser Vorbehalt, den ernst zu nehmen Fundamentalisten vorbehalten bleibt. Ein paar besonders rüde tauchen ab und dienen als sozialer Kitt in kriminellen Milieus. Jeder kennt solche Praktiken, jede Frau fürchtet sie insgeheim – nicht zu Unrecht, wie die entsprechenden Statistiken ausweisen. Insofern wirken sie subkutan in der Gesellschaft weiter, so aufgeklärt sie sich im übrigen geben mag. Sexualstraftäter, vor denen es der Allgemeinheit graust, gemahnen daran, wie schütter die Verankerung der Person in der modernen Welt und ihren ethisch-sozialen Maßstäben in Wirklichkeit ist. Das Kollektiv empört sich angesichts der scheußlichen Tat und fordert Vergeltung über jedes juristische Maß hinaus –… ein im Alltag gut verschlossener Kollektivmechanismus lässt sich da beiderseits blicken. Feminine Herrschaft, das sollten ihre Parteigänger im Auge behalten, baut auf einen intakten Individualismus, genauer: auf die Souveränitätserklärung des Individuums in Politik und Gesellschaft. Es wirkt weder klug noch weitsichtig, bei der erstbesten Gelegenheit zum öffentlichen Kultus der Großen Mutter zurückzukehren. Es ist aber geschehen, just unter den Augen der Mehrheit, die sich schweigend beugt.

(19) Emanzipation

Der Emanzipation des Bürgertums folgt die Emanzipation der Massen, der Emanzipation der Massen folgt die Emanzipation der Frau, der Emanzipation der Frau folgt die Emanzipation der Schwulen & Lesben, der Emanzipation der Schwulen & Lesben folgt die Emanzipation von Transgender, der Emanzipation von Transgender folgt die Emanzipation (hier wird es kritisch!) der Politik von den facta bruta, in denen, für jedermann erkennbar, die Brutalität der alten Welt steckt, die wir gerade mit Lichtgeschwindigkeit verlassen. Die Emanzipation der Frau wird Politik oder gar nicht sein. Dieser Satz steht an der Schwelle zur Aufklärung, er ist ihr geflüsterter Begleiter, er ist ihr Schicksal. Die emanzipierte Frau ist ganz und gar Politik, sie ist keineswegs Herrin im eigenen Haus, wovon ihr vielleicht einmal träumte. Seit nicht mehr Vergewaltiger, sondern verständnisheischende, wenngleich korrekturbedürftige Frauenbilder vor Gericht stehen, dringt diese simple Feststellung ins Bewusstsein der Aufgeklärtesten ein, soll heißen, der ganz normalen Cis-Frau, der Frau also, die ihr Normalsein mit Zähnen und Klauen (pardon!) verteidigt wie einst ihr Junges. Soll heißen: es wäre ein großer Irrtum zu glauben, feminine Herrschaft wäre gleich Frauenherrschaft. Nichts könnte falscher sein als diese Gleichung. Das herrschende Frauenbild macht dergleichen Biologismus überflüssig. Das wissen auch die Neunmalklugen und passen sich unauffällig an.

(18) Bloss nicht!

Worum geht es dann? Ich frage: worum geht es dann? Mit dieser Frage begebe ich mich außerhalb des Diskurses und falle in die Kategorie ›alternder heterosexueller Mann‹, in manchen Kreisen auch ›Cis-Mann‹ genannt, Unterart ›Rechthaber‹, obwohl ich doch nur zu wissen begehre. Es ist nicht gut, in diesen Gefilden Auskunft zu begehren. Das entspricht einerseits der Stereotypisierung der Diskurse, die keinen Raum für unbotmäßiges Fragen lassen, andererseits der Unbotmäßigkeit allen Fragens, das aufs Subkutane zielt, also auf die Vorgänge unter der glänzenden Oberfläche des Angekommenseins in einer Rollenwelt, in der alles alles sein kann, nur nicht das biologisch Offensichtliche, denn das ist, wie Kollege R bei jeder Gelegenheit zu sagen pflegt, ›gesperrt‹. Zweifellos ist der Mensch ein Tier. Ein ganz besonderes sogar mit einem gewaltigen sexuellen Appetit, es gibt Disziplinen wie Biologie und Ethologie, die sich darum kümmern. Schon bei der Medizin darf man sich da nicht mehr so sicher sein, seit die Pharmaindustrie ihren Job erledigt, ausgenommen den der Chirurgen, einer Klasse für sich… Aber, wie gesagt, darum geht’s nicht, und da es darum nicht geht, geht es im Grunde um alles andere. Die Betonung liegt dabei auf dem ›anderen‹, doch auch auf dem ›alles‹, und letzteres gibt am Ende den Ausschlag. Ich kann alles sein, was ich will bedeutet irgendwann auch Ich kann alles, und zwar deshalb, weil ich ein Recht darauf habe. Wer soll es mir nehmen? Niemand. Die Rollenwelt hat diesen Niemand gezeugt, sein Geschlecht ist männlich-binär, denn er setzt einen Jemand voraus, keine Frau ist niemand, es sei denn, sie ist von der Rolle, denn niemand ist keine Rolle. Das lasse ich jetzt so stehen.

(17) Hoppla!

Andererseits – hier wird es richtig heikel – wachsen Patriarchen-Hass und ‑Lust auf einem Holz. Was jeder Blick in die Mensa bestätigt. Da sitzt, jung und geschmeidig, links und rechts vom Lehrstuhlinhaber XYZ aufgereiht, der feminine Nachwuchs und blinkt und zwitschert ihm nach dem Munde. Und die überzeugungsstarke Kollegin beeilt sich, in der Konkurrenz der Aufmerksamkeiten nicht zu kurz zu kommen. Das läuft in der Politik nicht anders. Es sortiert sich auch nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern nach dem ältesten aller Maße, dem Augenmaß. Das alles ist einfach da, es begibt sich unter den aufmerksamen Blicken der anderen, es lässt so manches Missverständnis über das Erreichte gar nicht erst aufkommen und passiert bei geschlossenem Mund. Höchstens lassen Journalistinnen gelegentlich etwas davon in ihren Artikeln aufblitzen, bevor sie hingehen und dem sperrigen Redakteur eine Me-too-Affäre anhängen. Diese Erschaffung des Neo-Patriarchen aus der Retorte weiblichen Emanzipiertseins gehört zum Postmodernismus wie Hündchen zu Frauchen. Sie kommt aus denselben Tiefen der Seele und der Berechnung wie die Sympathie mit allem, was noch den Duft des Meeres und der Savanne trägt: ›Hier lass uns Hütten bauen!‹ Nur das Kindchenzeugen bleibt storniert (denn darum geht’s nicht).

(16) Der Gender-Trick

Gesellschaftlich gesehen bedeutet die Trennung Gender / Sex die Wiederauferstehung der Dame ohne Unterleib. Alles, was nicht ›Gender‹ ist, bleibt tabu, wenn es nicht direkt geleugnet wird. Sex ist pfui – kannte man diese Gleichung nicht irgendwoher? Aber natürlich…! ›Unter Gender-Aspekten‹ ist jeder Kontakt zwischen den Geschlechtern ein Machtspiel – ›Reden wir über Macht!‹ Sexualität ist Macht, Körperlichkeit ist Macht, Nähe ist Macht, Intimität ist Macht, Sexus ist Macht. Das nennt man unter Auszubildenden: eine Sache wegdefinieren. Und zu welchem Zweck? Um sie hintenherum wieder einzuführen? Aber dieses ›hintenherum‹ ist die reale Welt! Die reale Welt ist nicht verschwunden, weil es Gender-Seminare gibt. Diese Seminare … sie streuen das Gift, das sie zu bekämpfen vorgeben. Wenn die Geschlechterhierarchie bröckelt, wenn der verhasste Patriarch allenfalls als dysfunktionales Einsprengsel in die reale Welt empfunden wird, als hoffnungslos veraltetes Lebensmodell, das dort, wo es vielleicht noch zuckt oder in den Köpfen junger Männer aus importierten Kulturen wiederzukehren droht, Heerscharen von Psycho- und Soziotherapeuten auf den Plan ruft, dann erzeugt die Deutung von Sexualität als Macht eine neue Klasse von Privilegierten: junge oder weniger junge Frauen, die ihren Körper einsetzen, um aufzusteigen, um Machtpositionen zu besetzen, um abzuräumen, was es gesellschaftlich abzuräumen gilt – und auf der anderen Seite eine Klasse von Absteigern, die, falls sie auf die Idee kämen, sich symmetrisch zu verhalten, auf der Stelle erfahren dürften, was es heißt, als Mann ein ›falsches Frauenbild‹ sein eigen zu nennen.

(15) Identitätsbonus

Das klingt natürlich übertrieben. Aber wie an fast jeder Übertreibung ist etwas dran. Auffällig sind immer die Auffälligen. Wenn ich in einer Ausschreibung Identität, zum Beispiel geschlechtliche, prämiere, dann bewerben sich automatisch Leute, die diese Identität vor sich hertragen wie eine Monstranz und sich als Träger dieser Identität zurückgesetzt (›diskriminiert‹) fühlen, sobald ihnen jemand anderes vorgezogen wird, seien die Gründe noch so einleuchtend. Und es bleibt nicht beim bloßen Gefühl. Dieses Gefühl entwickelt eine beträchtliche Lautstärke und verlangt nach Entschädigung, ja gewiss, Ent-Schädigung für die erlittene Unbill. Denn Unbill ist es, um nicht zu sagen ein Skandal, dass ihre Bewerbung unberücksichtigt blieb. Die nächste Kommission weiß schon Bescheid, sie empfindet die Zwickmühle, solchen Menschen keine Angriffsfläche bieten zu dürfen und der Bewerbung gerecht zu werden. Die wählende Aufmerksamkeit auf die Bewerber(innen) ist also bereits fokussiert, wie es so schön heißt, gerichtet: sie ist abgefälscht und die Hauptsache (die wissenschaftliche etc. Qualifikation) wird zur Nebensache… Man nennt das einen erschlichenen (oder brachial erzwungenen) Kriterienwechsel. Die übernächste Kommission ist dann gewitzt und entwickelt Strategien, das Problem einzuhegen. Ergebnis: noch mehr fachfremde Aufmerksamkeit, noch mehr Geschlechterdiskurs. Auch so geht Gender-Mainstreaming. Schließlich bedeutet das Wort nichts anderes als das in den Vordergrund geschobene, überdies maskierte Geschlecht: Seht her, ich bin’s nicht. Schließlich geht es nicht um Sexus – niemals und nimmer.

(14) Heisser Auftritt

Wissen Sie, sagt D heute zu mir, ich frage mich, wo all die Frauen geblieben sind, die ich früher in der Wissenschaft kannte: fleißig, beschlagen, blitzgescheit, erfüllt vom Ethos ihrer Disziplin, fast als wollten sie die Männer darin kontrollieren. Diese Frauen verschwanden spurlos, sobald die Frauenförderprogramme anliefen, diese verdeckte Quotensache, die natürlich gezinkt ist, weil sie nach oben keinen Begrenzer kennt, während in den harten Fächern doch immer nur eine gewisse Frauenmenge hin- und hergeschoben wird. Aus den Berufungskommissionen, in denen ich mitwirkte, weiß ich, dass dort eigentlich bloß Frauen zum Zug kommen, mit denen man frauenpolitisch ›etwas erreichen‹ kann, also solche, die ihr Frausein als Beruf oder ihre berufliche Laufbahn als Prüfstein der Geschlechtergerechtigkeit präsentieren, Hauptsache, sie überreizen nicht, sonst sind sie ohnehin draußen und verklagen die Universität. Man will also keine Wissenschaftlerinnen, sondern Geschlechtsvertreterinnen, wenn sie berufen sind, beruft man sie in die Gremien, in denen jedermann seine Zeit vergeudet, und schiebt sie in die Öffentlichkeit, als wolle man sagen, da habt ihr jetzt, was ihr wollt. – Während er so redet, wirft er fortwährend Blicke um sich, als fürchte er unbekannte Lauscher, ein irrer Auftritt, ich weiß nicht, wie lange seine Nerven das noch mitmachen werden.

(13) Machtgeschlechter

›Macht hat kein Geschlecht.‹ Ist das wahr? Abgesehen von den Stereotypen der Grausamkeit: Wirkt Macht attraktiver, wenn sie ›mit weiblicher Stimme spricht‹? Offenbar spricht sie Menschen an, die sich sonst von ihr fernhalten. Das muss nicht positiv sein. Macht, männlich verortet, gebietet Distanz. Kommt sie dem Einzelnen zu nahe, wird sie zur Gewalt (die stets Liebhaber findet) oder sie zerfließt in Illusionen der Nähe. Der Unnahbare ist ein Stereotyp der Macht, so wie die Unnahbare ein erotisches. Weibliche Macht suggeriert Nähe, sie geht den Menschen nach. Ist das wichtig? Offenbar schon. Es bedeutet, ihr Machtspielraum ist ein anderer. Eine Frau an der Regierung kann andere Dinge durchsetzen als ein Mann, einfach deshalb, weil sie anders durchsetzt. ›Die Zukunft ist weiblich‹ bedeutet auch das: Wir werden Dinge durchsetzen, von denen ihr nur träumen könnt. Welche das sind, steht in den Sternen. Eher unwahrscheinlich, dass sie den Stereotypen der Weiblichkeit entsprechen, die von den Illusionsmaschinen unters Volk gebracht werden. Ihnen gerade nicht. Daraus entsteht die Illusion der Desillusion: An der Politik dieser Frau ist nichts Weibliches. Währenddessen setzt sie durch, dass den Abgehalfterten Hören und Sehen vergeht, während die Beglückten aller Parteien jubeln. Sie darf, denn sie kann. Im Ernstfall schweigen selbst die Gerichte.

(12) ›Wir schaffen das!‹

Dazu die Frage: Wie ist das möglich? Welche Kraft ordnet das Magnetfeld? Ist es der Sex dieser einzelnen Frau? Die Frau ist klein, unsicher, unerfahren, von einem großen Ehrgeiz beseelt. Sie ist keineswegs ›sexy‹. In ihr wächst zusammen, was nicht zusammengehört: der verbissene Zukunftswille einer funktionslos gewordenen kleinen Elite, die immer noch glaubt, das Bewegungsgesetz der Geschichte zu kennen, und der unüberhörbar Starthilfe leistende Symbolfeminismus des Westens. 20 Jahre Frauen-sind-besser-Propaganda und Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe (Faust I, 2603f.) – nun ja, vielleicht nicht gerade Helena, aber dafür ein Wunder an Kompetenz: Sie schafft das schon. Darin bereits enthalten ist das einnehmende ›Wir schaffen das!‹, von dem sie, einmal installiert, regen Gebrauch machen wird. Denn ohne Zweifel ist dieses singuläre Weib-Wesen eine Kollektivperson, zu deren Gelingen viele diskrete Hände und Hirne das ihre beisteuern. ›Wir schaffen das!‹ heißt: ›Euch, meine lieben Helferlein hier und draußen im Lande, bleibt gar nichts anderes übrig, als mich vor dem Absturz zu bewahren. Alles andere wäre frauenfeindlich und das würdet ihr nicht überleben.‹ In einer Gesellschaft, der das Etikett ›frauenfeindlich‹ genügt, um jedes Verdienst zu annihilieren, ist diese Drohung überaus real.

(11) Die Zukunft ist weiblich

Das Land hat eine Herrin und die große Transformation beginnt. Medien zu Werkzeugen, Minister zu Paladinen, die Guten ins Töpfchen, die Bösen ins Kröpfchen. Und sie hat sie alle gefressen: Keine Widerworte! There is no alternative. Da kommen die harten Wirtschaftsbosse und raspeln Süßholz, die christlichen Kirchen entdecken ihre staatstragende Funktion und predigen wider den inneren Feind, NGOs suchen um diskrete Unterstützung nach und versichern, dass sie sich mit im Boot befänden, komme, was da wolle, Gewerkschaften aller Farbrichtungen kümmern sich in vorbildlicher Manier um immaterielle Werte und predigen die Gemeinschaft der Gläubigen, widerborstige Künstler verwandeln sich in jener Nacht, in der alle Katzen grau sind, in Kulturschaffende und schwanzwedeln nach Aufträgen, kurz, die Zivilgesellschaft erwacht zur lange schon in ihr schlummernden Militanz. Auf die Abweichler, die Zweifler, die Andersmeinenden, die Anderslautenden, die Äquidistanten, die Selbsternannten, die Faktenhuber und Besserwisser, die Denk- und Lesefähigen, die Harm- und Wehrlosen, die Dissentierenden, die Quer-…: Schert euch! Wer aber die Herrin angreift, dem verdorre die Hand und sein Mund fülle sich mit Aussatz, auf dass er gezeichnet sei für alle Zeit.
Warum das alles? Frage nicht … staune!

(10) Einsamer Alb

Pyramidentraum: Niemandes Alb zu sein. Wie man sich täuschen kann! Harmlos ist unsere Lehre (so scheint es). Mag sein, mag nicht sein. Vielleicht züchten wir Ungeheuer, die zu begreifen unser Vorstellungsvermögen übersteigt? Vielleicht ziehen wir Ungeheuer an Naivität heran? Ungeheuer an Unbedarftheit? An Verblendung? Wer soll das wissen!
Wir können es nicht wissen, wir können nur hoffen (nachdem das Beten außer Mode gekommen ist). Wir gleichen an Blindheit der Generation, die der August 1914 so unsanft aus den Federn riss. Eigentlich müssten alle Wecker schrillen. Stattdessen halten wir uns für Sehende. Wir haben einen Kult des Sehens rund um unsere Wissenschaftstempel errichtet. Was hier nicht ›erforscht‹ wurde, das existiert auch nicht. Es ist ›unwissenschaftlich‹. Also wird es nicht existieren … nicht für die aufkommende Generation. Diese Leute werden nichts besitzen als ihre Haltung: technischer Moralismus.
Wir lehren die unendliche Manipulationsfähigkeit des Menschen. Nicht mehr, nicht weniger. Und wir legen obendrauf: die unerschütterliche Überzeugung recht zu denken.
Wer in die Pyramide eintritt, legt die Skrupel ab, die auf die Dauer jede Überzeugung zu Fall bringen. Das heißt: den Geist der Skepsis, auf dem unsere Zivilisation gründet.
Vielleicht schicken wir gerade die dümmste Generation, die je existierte, auf Weltveränderungskurs.
(So schnell ist man mit seinen Gedanken allein. Das Wir stört.)

(9) Lupa in fabula

Gespräch mit H, einem Bewunderer von Franz Blei (den ich bis dato nicht kannte) über das Bestiarium als Speisekarte und Abziehbild. Man kann es so oder so lesen. Laut H gibt es zwei Weisen, den Menschen zu buchstabieren: Charakterologie und Pathologie. Die Tierwelt als ›gegebener‹ Spiegel der menschlichen Charaktere hat uns die Fabeln beschert, die doch nichts weiter sind als ein großes über die Gattung geschriebenes ›Cave!‹ Erkenne den Wolf, den Tiger, die Maus und die Schlange im Menschen, auf dass es dir wohl ergehe und du lange lebest auf Erden! Die pathologische Sicht der Wissenschaft hat der Menschheit den Roman eingebrockt, der ihr nichts nützt, weil sie im Ernstfall doch die Therapie vorzieht. Im Roman genießt der menschliche Schwachsinn sich selbst. Auch das ist unendlich belehrend, wenngleich anders.
H, ganz Germanist, sieht in Freud den Romancier. Ich persönlich würde das Wort Scharlatan vorziehen. Ein sehr ernster Scharlatan. Es gibt auch seriöse Exemplare dieser Gattung. Jedem Wissenschaftler ist das geläufig.
Wie dem auch sei, die Fabel ist out, wie es aussieht, unter anderem deshalb, weil sie dem weiblichen Geschlecht wenig schmeichelt. Allzu ostentativ richtet sich die feministische Säuberung gegen das grammatische Geschlecht: In der Tierfabel gewinnt es nicht nur hin und wieder den Anschein des Wahren. Die emanzipatorische Wahrheit richtet sich gegen den essenziellen Gehalt der Fabeln, wie man am Beispiel des Wolfs vielleicht am deutlichsten sehen kann. Als weibliche Identifikationsfigur bietet der Wolf ein ebenso zerrissenes Bild wie der contra naturam (und damit gegen die Mehrzahl der Frauen, die sich in ihrem Geschlecht ganz wohl fühlt) wütende Feminismus II.
Hier verstummt das Gespräch (nicht zum ersten Mal).

(8) Was erlauben?

»Erlaubt ist, was sich ziemt«. Mit diesen Worten führt die Prinzessin Tasso ins höfische Leben ein. Das Ziemliche und das Unziemliche: Menschen sind für diese Unterscheidung in den Tod gegangen. Sie ist die Grundlage des aristokratischen Codes. Und gewiss begründet sie die Herrschaft der Frauen über die Männer, der Sitte über die Kraft – was wäre unziemlich, wenn nicht physische Überlegenheit, die sich breit macht. Insofern sind die Männer als solche das unziemliche Geschlecht (jedenfalls ihr heterosexueller Teil, der sich auf keine Opferrolle berufen kann).
Das 19. Jahrhundert hat Misstrauen gegen das Ziemliche gestreut. Für seine Vordenker markierte es den Eingang ins Labyrinth der Täuschungen und der kapitalen Lügen, auf denen Gesellschaft nun einmal beruht – in moralischer, aber natürlich auch in materieller Hinsicht. Man wird nicht zum Revolutionär, ohne das Ziemliche zu verletzen, erst recht kein Napoleon oder Ghandi. Die bürgerliche Revolution von 1789 war tendenziell frauenfeindlich … sie setzte die Moral gegen und über die Sitte.
Revolutionär war die Frauenemanzipation, solange sie sich gegen die Sitte auflehnte. Die neue Ziemlichkeit verfeinert die neue Aristokratie: dem digitalen Reichtum müssen Manieren beigebracht werden. Währenddessen mokieren sich die unteren zwei Drittel über das gespreizte Getue und den von ihm ausgehenden Zwang. Zu allem Überfluss gilt das neue Ziemliche in der Sprache als hässlich. Ein langes Leben verheißt ihm das nicht.

(7) Sprachpurgatorium

Abmachung: Ich läutere deine Sprache, du läuterst deine Gedanken. Ein Handel auf verminderte Gegenseitigkeit. Ein One-way-Ticket.
Wie geschieht Läuterung? Sie geschieht, was immer man dir einreden möchte, durch Gekreisch: »Du hast es wieder gesagt!« Was soll ich gesagt haben? »Tu das Wort da weg! Das Wort! Das Unwort!« Ach du Sch… Entschuldige, soll nicht wieder vorkommen. Das alles geschieht in Gesellschaft, also verbunden mit Sanktionen. Vom Unwort zum Unmenschen… – ein kleiner Schritt für die Society, ein großer für den Einzelnen, den es trifft.
Die Hemmungslosigkeit, mit der die Maschine ins Erwerbsleben eingreift. Ist das schon Faschismus? »Hilfe, du hast es wieder gesagt.« Bin ich jetzt draußen?
Der durch das Sprach-Purgatorium gewanderte Mann: Ist er geläutert? In welcher Hinsicht? Wie genau wirkt ein Tabu?
Ein Privatissime wäre bereits zu gefährlich.
Warum die Sprache? Warum immer und immer wieder die Sprache?
Verwechslung von Denken und Sprache: eine Erfolgsnummer für die einen, eine Lachnummer für die anderen. Bis ihnen das Lachen im Munde steckenbleibt.
Das alles macht zu schaffen.

(6) Völker, hört die Signale

Heute Promotionsausschuss. Es werden so lange Stipendien – ausschließlich – an Frauen vergeben, bis sie den ›Vorsprung‹ der Männer ausgeglichen haben. Das ist kein Witz, das ist Praxis. Klingt prima vista gerecht und bedeutet die größte Ungerechtigkeit von allen: Gleichgültigkeit gegenüber dem Talent (oder der Intelligenz, um es wissenschaftskonform-nüchtern auszudrücken).
Ich hatte mich vor der Sitzung kundig gemacht: In der Pyramide sitzen mehr junge Frauen als Männer auf den begehrten Nachwuchsstellen. Als ich die Zahlen verlas, unterbrach mich Agosch, das könne nicht sein. Kollege Agosch, der sonst so kluge… Er redete noch mancherlei, aber es drehte sich alles um den einen Punkt: dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Und wenn schon … das Beharren auf solchen ›Ungereimtheiten‹ wäre mit Sicherheit das falsche Signal. Sie scheuen die Vollzugsmeldung wie der Teufel das Weihwasser. Warum? Weil sonst die zugesagten Gelder futsch wären. Die Frauen am Tisch: mucksmäuschenstill.

(5) Ach wie so ungerecht

Soso. Ich soll also unterschreiben, dass ich mich künftig einer ›gendergerechten Sprache‹ befleißigen werde. War meine bisherige Sprache nicht gerecht? Darüber muss ich nachdenken. Ich weiß nicht, wie man es damit in anderen Fächern hält. Mir scheint, als hätte ich in meinem ganzen Berufsleben nichts anderes getan, als Gerechtigkeit zu üben. Gerechtigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Kräften, den unterlegenen wie den obenauf befindlichen (vielleicht mit einem gewissen Übergewicht zugunsten der Schwachen, das ließe sich als Ungerechtigkeit interpretieren, aber es kam mir immer wie ausgleichende Gerechtigkeit vor). Gerechtigkeit gegenüber den ›faits sociaux‹, den berühmten Gegebenheiten, Gerechtigkeit gegenüber den Zeugnissen, Gerechtigkeit gegenüber der Forschung, gegenüber all den involvierten Damen und Herren, ohne die das Wort ›Gesellschaft‹ bloß ein feuchtes Nichts wäre. Das rechte Wort ist das passende.
Natürlich schert sich das Rektorat einen feuchten Kehricht um meine Skrupel. Es verlangt auch nicht, dass ich meine Sprache auf der Suche nach dem einen oder anderen Ungerechtigkeitswinzling durchkämme. Es will etwas durchdrücken, das nichts mit mir, meinem Fach und meinem moralischen Urteil zu tun hat. Das ist es. Diese ›Gerechtigkeit‹ hat mit dem moralischen Urteil nichts zu tun – nicht mit meinem, nicht mit dem der Kollegen, nicht mit dem aller Menschen, an deren Urteil mir gelegen ist (oder wäre, falls ich sie kennen würde). Es ist eine Null mit zwei Hörnern.

(4) Doublespeak

Die Öffentlichkeit fürchtend Öffentlichkeit suchen. Was zwingt zu diesem Spagat? Gute Frage. Meine Antwort wäre: Weil die Nahumgebung stets stickiger ist als die weitere. Jedenfalls kommt es einem so vor. Man öffnet ja auch kein Fenster, um die Luft hinaus-, sondern um sie hereinzulassen. Das gilt nicht zwingend für das private, aber unbedingt für das berufliche ›Umfeld‹. Je angespannter die ideologische Situation, desto stärker die jede Rede begleitende Unruhe, ›etwas‹ zu sagen, das sich nicht zurückholen lässt. Wer genau hinhört, der hört den doublespeak wispern und raunen. Wahrscheinlich haben die Geschlechter, wie jeder ordentliche Beruf, zu allen Zeiten ihren eigenen Code gepflegt, um sich abzugrenzen und dort, wo es nötig ist, abzuschirmen. Dass man dabei über weite Strecken das identische Vokabular benützt, lässt die Sache nicht durchsichtiger erscheinen. Man könnte von institutionalisierter Heuchelei reden. Aber ist es das? Sind wir alle Heuchler? Wir machen uns etwas vor, aber ebenso sehr macht es uns etwas vor. Wir sitzen gebannt vor dem Vorhang, hinter dem die gewünschten Aufschlüsse schlummern – wehe, einer weckt sie zur Unzeit!

(3) Ausnahmefrauen

Die kluge Hanna Arendt trifft, wie so oft, den Nagel auf den Knopf: »Der demoralisierenden Forderung, sich von dem eigenen Volke zu distanzieren, verband sich die nur verlogen zu realisierende Bedingung, anders und besser als alle anderen zu sein.« Was der Judenemanzipation zum Verhängnis wurde, wird auch der Frauenemanzipation nicht erspart bleiben. Entweder es emanzipieren sich die wenigen, deren Konstitution es ihnen erlaubt, sich in all die idealisierten Rollenbilder und Erwartungshorizonte einzupassen, die jetzt seit Jahrzehnten umlaufen, oder es emanzipieren sich die vielen und es siegt die Banalität der ganz alltäglichen Lüge, mehr und anders zu sein als man selbst. Man muss keine prophetischen Gaben besitzen um abzusehen, dass die Ausnahmefrauen unter all den falschen Emanzipierten schlechte Karten besitzen werden, weil sie den Anspruch aller auf jede beliebige gesellschaftliche Position durch ihr bloßes Auftreten in Frage stellen. Nun ist aber Intelligenz stets die Ausnahme… Das weitere kann sich jeder selbst zusammenreimen.

(2) Spitz und Knopf

Die Tyrannei der spitzen Finger und spitzen Worte baut auf Gewöhnung, sie korreliert mit Alltagserfahrungen, die keinem erspart bleiben und vom gesunden Gemüt weggewischt werden: ›Nickligkeiten‹. Nichtsdestoweniger handelt es sich um Tyrannei und wie jede Tyrannei neigt auch diese zur Maßlosigkeit oder ›Entgrenzung‹. Wie soll man demjenigen Grenzen setzen, das jede Grenze unterläuft? Schwierig. Besser, man tut so, als habe man nichts gehört und nichts gesehen. Wenn das Wegsehen in die Wissenschaft einfließt, verändern sich Stoff und Stil. Was zu verschmerzen wäre. Es läuft aber auf Stoffverengung hinaus, die Pyramide könnte ein Lied davon singen. Doch damit ist es nicht getan.

(1) Gendersprak

Ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, was gegen das Wort ›Geschlechtersprache‹ sprechen sollte, es sei denn das ›schlechter‹, das in ihm steckt wie der sprichwörtliche Pfahl im Fleische. Sprache folgt keinem sozialen Geschlecht, sie besitzt ihre eigenen Geschlechter. ›Gender‹ kommt von lat. ›genus‹, und genera sind genau das, was die Sprache ihrem Benutzer bietet. Wenn jeder, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, sein soziales Geschlecht nach Belieben wählt, dann darf er auch die Sprache nach Belieben verhunzen. Vielleicht ist das ja erwünscht, aber es geschieht ohnehin. Ansonsten biete ich jede Wette an: Niemand kann ›die Sprache‹ zerstören oder ›verhässlichen‹, bloß seine eigene und anhängender Trendnarren. Was die Bürokratie da treibt, dient eher der Selbstkarikierung als der Veränderung der Welt. Übel ist natürlich der Zwang, der auf Einzelne ausgeübt wird, aber er bleibt Zwang und erzeugt, jedenfalls auf Dauer, Gegendruck. Wer mir eine Sprache aufzwingt, der kommt mir definitiv zu nahe.