CHANGE
Willkommen in der VeränderBar.
Zur Einführung wählen Sie bitte die Taste mit der Aufschrift ›Die Regeln‹.
Es öffnet sich ein Drop-down-Menü. Drücken Sie die Taste »Erste Regel«.
Sie dürfen auch mit jeder anderen Regel beginnen.
Die Reihenfolge der Regeln ist festgelegt.
Das Spiel beginnt: »Get Credits!« Drücken Sie ruhig: So geht es.
Drücken Sie die »Test«-Taste, sobald Sie glauben, alles verstanden zu haben.
Geben Sie den Inhalt des Textes mit Ihren eigenen Worten wieder.
Am besten nehmen Sie dazu einen Stift und ein Blatt Papier.
Merken Sie sich für die Zukunft:
Sie werden die VeränderBar aufsuchen, sobald Sie das Change-Signal empfangen.
Sie werden dort einen Auswahlpartner vorfinden.
Bitte versuchen Sie sich strikt an die Regeln zu halten.
Sie können den vorgeschlagenen Partner auch ablehnen.
Die VeränderBar wird für die Dauer des Projekts:
Ihre Zuflucht,
Ihr inneres Zuhause,
das Labor Ihrer Gefühle,
Ihr privater Ideenraum,
der Simulationsort Ihrer sozialen Konflikte.
Um gelegentlich einen Blick in die Zukunft und auf das Geleistete zu werfen:
Drücken Sie die Taste ›Die Protokolle‹ (noch nicht).
Seien Sie bitte vorsichtig.
Nehmen Sie ein letztes Wort mit auf den Weg:
Jeder liegengelassene Konflikt zwingt Sie, die gleiche Strecke dreimal zu gehen.
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Geschlossene Gesellschaft.

Öffne dich.

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CLOSED  OPEN

Geschlossene Gesellschaft.

Öffne dich.

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open
CLOSED  OPEN

Das System verändert dich.

Verändere das System.

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left wing
LEFT WING  RIGHT WING

Das System verändert dich.

Verändere das System.

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left wing
right wing
LEFT WING  RIGHT WING

Du bist das System.

Lasse Veränderung zu.

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top down
TOP DOWN  BOTTOM UP

Du bist das System.

Lasse Veränderung zu.

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top down
bottom up
TOP DOWN  BOTTOM UP

Das System will dich.

Gib ihm eine Chance.

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add1
COME ON

Das System will dich.

Gib ihm eine Chance.

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add1
add2
COME ON

Das System will dich.

Gib ihm eine Chance.

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add1
add2
add3
TSATSA

Das System nimmt dich mit.

Zeige, wer du bist.

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new life
NEW LIFE
FIRST TIME  STAY HERE

Veränderbar ist, was nicht festliegt. Falsch, tönt das Bewusstsein, man müsste es mit Großbuchstaben schreiben, denn es ist nicht das einfache Bewusstsein, sondern sein Begleiter. Jedes Bewusstsein hat einen Begleiter. Wusstest du das nicht? Also falsch. Wo liegt dann die Falle? Fest liegt, was festgelegt wurde. Von wem? Das tut nichts zur Sache. Oder doch? Vielleicht doch. Generationen Beherrschter sind in dir abgelagert, Sedimentschichten, eine über der anderen. Ja, in dir. Beherrsche dich und sie übernehmen die Zügel. Was soll ich tun? Sei unbeherrscht. Wie soll ich das verstehen? Ganz einfach: Misstraue deinen Reflexen. Und dann? Vertraue deinen Reflexen. Aah. Aber das ist schwer. Nicht so schwer, wie du glaubst. Sei zügellos. Darunter wirst du dir doch etwas vorstellen können, oder? Oder? Wenn du mich fragst, ich denke da mehr an Existenzielles. Ich weiß, woran du denkst. Vergiss es. Was dann? Stell dich nicht naiv. Kein Geschwätz über Spießer-Orgien oder sowas. Wir sprechen hier von wirklichen Überschreitungen. Das soll nicht existenziell sein? Lass den Quatsch. Es geht um konkrete Aktion. Tu endlich was. Hör auf, dich im Spiegel zu betrachten. Das bringt dir gar nichts. Oho. Nichts gegen den Spiegel. Vergiss den Spiegel. Da muss ich dich korrigieren. Einem Spiegel kannst du nicht ausweichen. Du schaust hin und was erblicken deine erstaunten Augen? Die Rückenpartie einer Frau. Zufall, na klar. Und schon wieder Zufall: Dieselbe Frau steht dir zur gleichen Zeit gegenüber. Soviel Zufall kann nicht zufällig sein. Dem heißt es nachzugehen. Da fällt dir auf: du siehst ihre abgewendete Seite. Das fasziniert dich. Reden wir von fehlender Zuwendung. Wo die Zuwendung fehlt, ist Brachland, Öde, aus. Du musst das ändern, auf der Stelle, sonst bringt es dich um. Hör auf. Scheiß auf Zuwendung. Wenn du sie vögelst, kann dir die Zuwendung egal sein. Ist sowieso gezinkt. Vergiss das Ganze. Was nun? Die Zuwendung oder die Frau? Am besten beide. Leck mich. Wir sind hier nicht auf der Penne. Solange du von Zuwendung träumst, hast du nichts begriffen. Erklärs mir. Nichts leichter als das. Nichts schwerer als das. Unterbrich mich nicht. Was du für Zuwendung hältst, gerade das... wie soll ich es sagen... ist die Herrschaft des Sediments. Bist du verrückt? Ja, ich bin verrückt. Sagen wir... ein bisschen verschoben gegenüber dem, was du für normal hältst. Zuwendung ist Normerfüllung. Aber was ist ihr Gegenteil? Es gibt kein Gegenteil. Was wäre das Gegenteil? Was wohl. Komm selber drauf. Wer die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachtet, muss auch die Menschen aus einer anderen Perspektive betrachten. Verstehst du? Er muss eine andere Perspektive entwickeln, sonst bleibt es dieselbe, welche auch immer, das bleibt sich gleich. Ich muss eine Perspektive entwickeln. Du musst eine Perspektive entwickeln. Aber die Aufforderung kommt von dir. Ist das kein Sediment? Das ist kein Sediment. Das ist ein Ferment. Ein Enzym, damit wir uns besser verstehen.

 

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CLOSED  OPEN

ELISABETH ∙ PARTNER 1

Offenheit, bemerkt Elisabeth, ist eine Tugend für Menschen, die keine Geheimnisse haben. Sie streicht das ›haben‹ und ersetzt es durch ›besitzen‹, ohne den Impuls ganz zu durchschauen, vielleicht, dass sie sich im Besitz sicherer fühlt, wissend, es kommt auf jedes Wort an, nun, vielleicht nicht auf jedes, aber auf manche schon.

Auf manche schon, folgt ihrem Wort der Begleiter, die geneigte Leserin kennt ihn bereits und neigt sich ein wenig tiefer, vielleicht, um ein Lächeln zu verbergen oder eine gelangweilte Erwartung, die sich nicht einstellen will, aber reserviert hat und die Leerstelle für sich sprechen lässt. Das kann sie gut, darin besteht ihr Geheimnis, bestens gehütet und mit Stroh ausgestopft oder einem Strohersatz, der nicht gleich kitzelt, wenn man es drückt.

ELISABETH

Offenheit muss gesucht werden, sie ist ein seltener Vogel, der wie alle Vögel gern auswärts speist. Man trifft ihn unverhofft im Gelände, bestens angepasst, wer ihn treffen will, beißt auf Granit.

PARTNER

Also die Härte ist es, die ihn verrät.

ELISABETH

– Aber wir wollen nicht offen reden, wir wollen offen sein.

PARTNER

Ist das nicht dasselbe?

ELISABETH

Ein Stück weit schon. Dann gabelt sich der Weg und was dasselbe schien, ist etwas anderes.

PARTNER

Wie kann dasselbe ein anderes sein?

ELISABETH

Offen gesagt –

Offen, wie sie sich weiß, ist sie nicht offen. Sie weiß, wie Leckebusch auf ihre Frage antworten würde, sie sieht das wissentliche Zögern im Gesicht des momentanen Begleiters, der sein Geheimnis wahrt, heute, morgen, immerdar. Denn es ist sein Geheimnis und es geht niemanden etwas an. Gern möchte er darüber reden, aber es gelingt ihm nicht. Er hat es, wie alle, mit einer Analyse versucht, nicht ohne Erfolg, wie ihm scheint, er weiß heute mehr.

Mehr wovon?

Reden wir offen.

Das System der Sätze erzeugt eine Oberfläche, vergleichbar einer Kugel aus geleimtem Zwirn, durch deren Öffnungen man hindurchspäht, als gäben sie das Geheimnis der inneren Seite preis, wo doch jeder weiß, Zwirn bleibt Zwirn, Geheimnis bleibt Geheimnis.

Sehen Sie, wispert der Begleiter, Innen ist Außen und Außen ist Innen. Er birst fast vor unterdrücktem Gelächter angesichts von soviel Wagemut. Doch Elisabeth weist ihn zurecht.

ELISABETH

Ich sehe es anders. Innen ist Innen und Außen ist Außen.

PARTNER

Das ist die klassische Sicht.

Die klassische Sicht. Ist das gut, ist das schlecht? Ein wenig classique war Elisabeth, soweit sie zurückdenken kann, sie besitzt einen Anspruch darauf und denkt nicht daran, ihn herzugeben. Für was? Natürlich weiß sie, classique ist nicht alles, es wird langweilig, sobald man darauf beharrt, sie ahnte nicht, dass sie einem Designer...

Der Designer windet sich. Einmal Designer, immer Designer. Bei ihm ist die Offenheit präfabriziert, er sieht keinen Grund, sich zu ändern. Eine Personality wie Elisabeth lässt sich nicht ändern, es sei denn, sie will es, auch dann wird es schwierig. Will sie es? Ohne Entwerter ist da nichts zu bewirken. Das Universum braucht einen Hebel.

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LEFT WING  RIGHT WING

ELISABETH ∙ PARTNER 1

Menschen haben keine Affären, sie sind Affären. Die einen mehr, die anderen weniger. Elisabeth zum Beispiel besitzt einen starken Kern, den sie keinesfalls preisgeben würde. Ansonsten ist alles möglich.

Worin besteht so ein Kern? Oder sollte man besser fragen: woraus?

Aus Überzeugungen, würde sie jedem antworten, der ihr in den Weg tritt wie der Designer jetzt, doch sie schweigt. Der Genius loci hat sie erfasst. Überzeugungen sind das Brot der Armen, die Labung der Aufrechten und das Rüstzeug der Spesenritter – vor allem letzteres.

PARTNER

Ein Designer darf keine Überzeugungen haben. Er darf auch keine gelten lassen, aber er darf sie modellieren.

ELISABETH

Eine Überzeugung, die nicht in Form ist, kann man sich schenken, sie hat keinen Wert.

PARTNER

Der Wert einer Überzeugung bemisst sich an ihrem deklamatorischen Nutzen. Gerade war ich ein Wicht, ein Nichts, jetzt bin ich ein Leuchtturm, ein Fels in der Brandung, eine angestarrte Figur, ein Pfahl in der Menge –.

ELISABETH

Überzeugungen gibt es, die man nicht mitteilt, man begnügt sich damit, sich selbst anzustarren, als sei man ein anderer, so sehr ist man in solchen Momenten Selbst.

ELISABETH

Eine attraktive Frau sollte sich hüten, zu starke Überzeugungen zu hegen. Sie macht sich selbst Konkurrenz, und wofür?

PARTNER

Überzeugungen sind für alle Fälle, man kann nie wissen, sie runden das Bild einer Person ab, die dadurch wirkt, dass sie erscheint. Man könnte auch sagen: die durch ihr Auftreten wirkt, aber das hieße bereits etwas anderes. Die Rede löscht den Unterschied aus, um den es hier doch gerade geht. Überzeugungen treten auf wie Individuen, sie bemächtigen sich der Individuen und stellen sie auf eine seltsame Weise zur Schau, die man unattraktiv finden kann oder attraktiv, je nachdem, welchen Standpunkt man dabei einnimmt.

ELISABETH

Ja, das stimmt, aber es stimmt auch nicht, der Standpunkt wäre schon Überzeugung, vielleicht vorhandene, vielleicht kontroverse, vielleicht fehlende Überzeugung.

PARTNER

Auch die fehlende Überzeugung bleibt Überzeugung oder will Überzeugung werden. Sie sagt: Überzeuge mich hier und jetzt, solange ich dich attraktiv finde oder attraktiv finden könnte! Das weiß die Überzeugung und sie geht mächtig aus sich heraus. Jede Pose verliert ihren Reiz, das ist eine Frage der Zeit und der Umstände.

ELISABETH

Diese Überzeugung kommt vielleicht nicht an mich heran. Ich sehe das Glühen, es wärmt mich womöglich, aber es entzündet nichts.

Gern würde sie den Menschen hinter der Pose kennenlernen, die echten, starken Regungen, die ihn beseelen. Sein Überzeugtsein langweilt sie, ehrlich gesagt. Warum so überzeugt, würde sie ihn gern fragen. Hast du das nötig?

Andererseits, sähe sie diesen Menschen da überhaupt, der seine Überzeugungen ausstellt, täte er es nicht? Wäre er ganz und gar nur er selbst, ein Nichts, ein Wicht? Was, wenn sie ihn sähe, sähe sie da? Das Nichts? Den Wicht? Einen Menschen? Einen, mit dem sie teilen wollte?

Was? Liebe? Leid? Alltag? Überzeugungen?

ELISABETH

Wie zum Beispiel verhalten sich Besitz und Überzeugungen zueinander?

PARTNER

Positiv, ausgesprochen positiv. Das eine wie das andere will verteidigt sein. Wer sich in der glücklichen Lage befindet, verteidigen zu lassen, bei dem gründen sie tief. Bei Selbstverteidigern sollten sie stark sein, stark und schnell. Von einem guten Verteidiger verlangt sie mehr: das mechanische Element. Er soll wissen, wann es genug ist, und die Schleichwege nicht verschmähen.

Besitz: Brandbeschleuniger für Überzeugungen.

Wer gar nichts hat, dem fällt Überzeugtsein schwer.

Man müsste jemanden kennenlernen, der gar nichts hat, zu Prüfzwecken.

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TOP DOWN  BOTTOM UP

ELISABETH ∙ PARTNER 1

Wenn ich jetzt auf die Straße trete, habe ich mich verändert? Dumme Frage: Es liegt in meiner Macht, mich zu verändern, also verändere ich mich.

Läge es in meiner Macht, mich nicht zu verändern, was dann? Zöge ich es vor, mich nicht zu verändern?

Aber die Macht, mich zu verändern, enthält das Vergnügen, mich nicht zu verändern, sonst wäre sie keine Macht – allenfalls eine, die mich stößt. Vielleicht stößt sie mich ja? Vielleicht will ich, dass sie mich stößt? Vielleicht gebe ich ihr Macht, damit sie mich stößt? Gibt es das: einer Macht Macht geben? Aber sicher.

Man räumt sie ihr ein, das ist ganz offensichtlich. Macht braucht Macht. Also lasse ich zu, dass die Macht der Veränderung mich vorwärts stößt. Aber ich will nicht gestoßen werden, die Vorstellung ist mir zuwider. Ich will, dass die Fäden in meiner Hand zusammenlaufen, zumindest, dass sie durch meine Hand hindurchlaufen. Heißt das, ich will das Tempo bestimmen? Will ich schneller sein als die anderen? Warum sollte ich! Da ist nichts, was mich reizen würde, solange die anderen fehlen. Will ich langsamer sein? Vielleicht. Aber das hieße zurückbleiben. Kann ich das wollen? Nein, zurückbleiben will ich nicht. Das Beste wäre, es ginge in gleichem Schritt mit den anderen, bei voller Kontrolle. Was wäre ich dann? Eine Mitläuferin? Das wäre das Gegenteil einer Macht. Ich bin eine Macht, also kann ich nicht Mitläuferin sein. Ich bin eine Gestalterin.

Was immer ich gestalte, es ist die Zukunft. Das ist ein Gesetz.

Ich nehme die Zukunft in beide Hände. Sie fühlt sich flauschig an, ein wenig kantig auch, ich weiß nicht, ob sie zu leicht ist oder zu schwer, sie lässt sich nicht heben, nur bergen, so dass andere weniger davon haben, denn da sie allen gehört, ist es wichtig, sie nicht in die falschen Hände geraten zu lassen. In die richtigen Hände gelegt, gehört sie allen. Meine Hände sind geöffnet, bereit, sie zu umspannen, ich verspreche, dass sie es bei mir gut haben wird.

Alles wird zu Besitz, sobald man es will. Wenn meine Hände sich nach der Zukunft strecken, wird auch sie zu Besitz und ich muss bereit sein, sie zu verteidigen.

Ich will nicht meine Scheibe vom Glück, ich will Glück.

Ich will nicht meinen Anteil an der Zukunft, ich will Zukunft sein, ich will mich austeilen können, wenn mir danach ist, denn darin besteht das, was die Menschen Zukunft nennen.

Wenn ich die Zukunft gestalte, gestalte ich mich.

Was vergangen ist, lässt sich nicht gestalten, es ist fertig, doch nicht zu sehr, denn es bleibt immer zu tun. Mit etwas durch zu sein und es unfertig zu hinterlassen, es hinter sich zu lassen, darin besteht das Leben.

Die Zukunft gestalten, das ist etwas anderes. Ich will, dass vergangen ist, was hier und jetzt ist. Kann ich es nicht genießen? Aber ich genieße es doch, in vollen Zügen sogar, ich bin seine Herrin, ich verfüge, was daraus wird, ich verfüge, dass es vergeht, ich verfüge über die Mittel, herbeizuführen, was kommt, und über den Willen, sie einzusetzen.

Wer sagt mir, dass ich über die Zukunft verfüge? Die innere Stimme, gewiss, doch ohne die Beteiligung am Projekt, was sagt sie da?

Es ist das Projekt, das mich mir gegeben hat, das mich zu der macht, die ich jetzt bin.

Soll ich ihm dankbar sein?

Das wäre gegen die Regel, es wäre auch sinnlos, denn das Projekt weiß nicht, wer ich bin, es will nicht wissen, wer ich bin, es will, dass ich bin, wie ich bin.

Ich bin, die ich bin. Gut.

Sei, die du bist! Ist das ein Imperativ? Muss ich mich beugen? Sinnlose Forderung, das muss ich sagen. So wie ich bin, bin ich Vergangenheit, Stück für Stück, das muss alles abfallen, damit zum Vorschein kommt, was zu werden ich im Begriff stehe. Werde ich also nicht mehr sein? Ist, was zum Vorschein kommt, wenn ich mich ändere, nicht mehr Ich? Fehlt etwas, wenn ich nicht mehr bin? Aber ich werde doch sein, gerade die bin ich, in der alles, was sein wird, zum Vorschein kommt. Ist also das Projekt eine Art System, das bestimmt, wer ich bin?

Das kann nicht sein, denn dann hätte sich nichts geändert. Es hat sich aber etwas geändert, nicht viel, nur alles. Das klingt paradox, gerade darum es ist die Wahrheit. Alles hat sich geändert, seit gestern, seit vorgestern, seit eben. Gerade jetzt, unter diesen Gedanken, ändert sich alles. Wir laufen nicht mit einer Knarre herum, um die Welt zu verändern. Wir sind, die wir sind, und die Welt wird sich daran ausrichten. Wir sind die kommende Mitte. Wie sind wir die kommende Mitte? Das ist: schwer zu entscheiden.

Zum Beispiel: ich will nicht sexy sein. Ich will meinen Sex aushandeln. Da liegt der Unterschied. Hier und jetzt will ich bestimmen, mit wem was geht. Bin ich dann nicht sexy? Bin ich dann nicht Objekt? Diese Frage stellt sich doch gar nicht. Sie ist abstrakt. Was ist abstrakt? Das Abgezogene. Sehr witzig. Zieh ab! Soll ich mit einer Abstraktion ins Bett gehen? Was soll das? Eine Abstraktion ist eine Abstraktion. Ich kann sie mitnehmen, wohin es mir passt. Mein Objekt-Sein bestimme ich. Von Fall zu Fall. Bin ich dann noch Objekt? Natürlich nicht.

Gerade darin liegt die Veränderung. Sie liegt nicht im Bewusstsein, sie liegt im Offen-Sein.

++++++TIME OUT  TIME OUT++++++
CLOSED  OPEN

LECKEBUSCH ∙ PARTNER 2

LECKEBUSCH

Sehr erfreut. Wir sind also Partner. Das ist ein schönes Wort, ich sollte es meiner Frau erzählen, die könnte damit etwas anfangen. Soll ich Ihnen von meiner Frau erzählen? Wir können uns, glaube ich, beide eine Scheibe von ihr abschneiden. Sie blicken ungläubig, aber ich weiß das. Nein, wir sind vorerst nicht per Du, lassen Sie das. Vergessen Sie nicht Regel eins, die da lautet –

PARTNER

Jetzt halt mal die Luft an. Ich mache mich nicht den halben Nachmittag frei, um mir dieses Zeug anzuhören. Regel eins lautet Offensein und das üben wir jetzt. Das wirst du doch hinkriegen, oder? Wenn nicht, trennen wir uns gleich, dann hat das nämlich keinen Zweck.

LECKEBUSCH

Soso. Sie wissen also, was keinen Zweck hat. Darüber brüten die Ästhetiker schon eine ganze Weile. Sie sind ein kompetenter Mann, wenn Sie uns darüber belehren können. Nein, jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt, das müssen Sie einsehen. Kommen Sie in mein nächstes Kolloquium und erzählen Sie dort, was Sie denken. Geben Sie es zum Besten. Sie werden aufmerksame Zuhörer finden, das verspreche ich Ihnen. Was unseren Aufenthalt hier angeht, bleiben Sie. Wir werden, wie es scheint, noch gebraucht. Die Wissenschaft scheut weder Geld noch Mühen, sogar Gesinnungen, ich hege große Bewunderung für die Kollegen, die das hier... Ist Ihnen nicht gut?

PARTNER

Also ich habe das hier so verstanden: Wir sitzen und reden und versuchen voranzukommen. Was du da sagst, ist für mich, ehrlich gesagt, nicht zielführend. Ich höre dir zu, aber ich höre dich nicht, wenn du verstehst, was ich meine. Vielleicht bist du aufgeregt, das kann ich verstehen, aber das musst du jetzt abschütteln. Also komm runter.

LECKEBUSCH

Das interessiert mich jetzt ehrlich: wovon soll ich ›runterkommen‹? Können Sie mir das etwas genauer erläutern? Oder war das nur so eine Phrase?

PARTNER

Runterkommen. Komm runter. Komm doch runter. Komm endlich runter. Wo ist da die Phrase? Ich sehe keine Phrase. Runterkommen ist eine klare Sache, man muss es nur wollen. Du könntest den Spieß ja umdrehen –

LECKEBUSCH

Dann müssten Sie erstmal runterkommen –

PARTNER

Genau. Geht doch. Halt die Klappe. Wann ich runterkomme, bestimme ich.

LECKEBUSCH

Sie sollten erst wissen, was Sie unten erwartet, soweit sich das von da oben beurteilen lässt. Sie sind ein vorsichtiger Mann, ich verstehe Ihr Problem vollkommen. In diesem Fall können Sie mir vertrauen: die Luft ist rein, es erwartet Sie keine weitere Unbill als der Fortgang unseres Gesprächs, das ja nun kurioserweise...

PARTNER

Sag nicht kurioserweise, sonst gibt’s eins auf die Fresse. Normalerweise bin ich nicht so aggressiv, dafür gibt’s Zeugen, aber in diesem Fall –

EXIT
EXIT
EXIT
CLOSED  OPEN

LECKEBUSCH ∙ PARTNER 3

LECKEBUSCH

Das letzte Mal saß ich mit einem jungen Mann hier – vielleicht war er nicht mehr so jung, im Nachhinein bin ich ein wenig unsicher –, der meine Art nicht mochte, ich hoffe, dass das heute nicht erneut zum Problem wird. Also ich finde Sie sympathisch, soweit der erste Eindruck trägt. Lassen Sie mich noch ein wenig einführend reden, ich brauche das jetzt, es dient der Orientierung und wir kommen dann schneller voran.

PARTNER

Sie meinen...

LECKEBUSCH

Jaja. Unterbrechen Sie mich nicht, ich habe Ihre Wortmeldung notiert. Veränderung ist ein seltsames Wort, die ältere Sprache meint damit etwas anderes als wir heute. ›Ich habe mich verändert‹ hieß vor hundert Jahren noch: ›Ich habe mein Gemüsegeschäft aufgegeben und handle jetzt mit Immobilien, ansonsten bin ich ganz der alte‹. Das sieht übrigens noch der Dichter Brecht so, wenn er den Lesern seiner Keuner-Geschichten Veränderung empfiehlt: sie sollen nicht einer einzigen gesellschaftlichen Maske vertrauen, sondern sie wechseln, sobald sich Gelegenheit dazu ergibt.

PARTNER

Warum?

LECKEBUSCH

Um den Verfolgern nicht kenntlich zu werden. In dieser Hinsicht hat er übrigens die bürokratische Macht unterschätzt, die diese Art von Veränderung sehr sehr ernst nimmt und nach den Motiven forscht, die dahinter stecken mögen. Insofern gilt unter voll entwickelten Verhältnissen: Veränderung macht verdächtig. Ob daraus folgt, dass Nichtveränderung unverdächtig macht, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls füllt sie weniger Akten. Das ist natürlich auch verdächtig, eigentlich sollte es noch verdächtiger sein als der Schein der Veränderung, aber wer kann schon wissen, wie die Dienste ticken. Die Frage ist auch: wer will es wissen?

PARTNER

Gute Frage. Ich für meinen Teil interessiere mich mehr für das, was dabei herauskommt, wenn ein Mensch seine Lebensverhältnisse ändert. Ist es gut für ihn, ist es schlecht für ihn? Fühlt er sich anschließend besser? Was ist mit seinem Bewusstsein? Hat es sich erweitert? Ist es jetzt angepasster oder weniger angepasst?

LECKEBUSCH

Der Mensch passt sich an jede Umgebung an. Das weiß schon Aristoteles, wenn er meint, dass einige Sklaven von Natur sind. Er meint damit ja nicht, es liegt in ihren Genen, von denen Aristoteles gar nichts weiß, sondern er meint: man wächst in Verhältnisse hinein...

PARTNER

… und was nicht hineinpasst, wird abgeschnitten.

LECKEBUSCH

So ähnlich. Ich hätte es anders ausgedrückt: wo wir allein nicht hinkommen, dort hilft uns die Paideia. Damit meine ich jetzt nicht das Sklavendasein, von dessen antiken Formen wir wenig wissen, sondern das Für-sich-selbst-Stehen, das den Menschen auszeichnet, der eine Zucht durchlaufen hat. Eine solche Zucht ist die Philosophie, sie verändert den Menschen dadurch, dass sie ihn ich-fähig macht. Das gilt nicht für jede Gestalt, die sie im Laufe ihrer langen Geschichte angenommen hat. Im Grunde müssen wir diese Aufgabe erst wieder vom Schutt der Theorien befreien, die uns glauben lassen wollten, Philosophie sei Wissenschaftslehre oder Logik oder Sprachanalyse. Das alles ist sie natürlich auch, doch nicht nur: was sie wirklich ist, hat uns Kant gelehrt, aber im Grunde wissen wir es durch Nietzsche, genauer durch die Lehre vom Übermenschen. Unterbrechen Sie mich nicht, wer da grinst, der hat nichts verstanden. Der Übermensch ist der Mensch in der Gestalt des Noch-nicht, der Mensch, von dem wir noch nichts wissen, der Mensch, der sich unwiderruflich verändert hat, so dass wir, von ihm aus gesehen, Tiere sind, jedenfalls noch keine Menschen. Ich sage an dieser Stelle immer: wir können wissen, dass wir noch keine Menschen sind, aber wir können nicht wissen, worin wir noch keine Menschen sind. Das eben bedeutet Offenheit.

PARTNER

Das eben bedeutet Offenheit. Aber woran erkennen wir dann, dass wir offen sind?

LECKEBUSCH

Das war endlich einmal eine intelligente Frage. In der Tat: maximale Offenheit und maximale Geschlossenheit wären ein und dasselbe. Das liegt in der Logik von Systemen. Wenn Sie alles in Frage stellen, bleibt alles, wie es ist. Sie haben dann nur den Faktor Beliebigkeit hinzugefügt, rein subjektiv, um genau zu sein, aber unter Systemgesichtspunkten betrachtet war er vorher auch schon da. Dass Sie jetzt davon Kenntnis haben, ist selber nicht mehr veränderbar, es bleibt sich gleich. Geschlossen ist, was sich gleich bleibt.

PARTNER

Sie bleiben sich immer gleich?

LECKEBUSCH

Wie meinen?

++++++PAUSE++++++
OFF

MODERATOR

So geht das nicht, Leckebusch. Sie verbrauchen ihre Partner. Sie lassen niemanden an sich heran. Vergessen Sie die Dozentenpose, die steht Ihnen hier im Weg. Sie müssen sich schon den Weg frei räumen, wenn Sie voran kommen wollen. Nein, nicht im Denken, wer sagt Ihnen, dass es hier ums Denken geht? Und reden Sie nicht vom Gefühl und dass Ihre Frau dafür zuständig ist. Sie müssen aufhören zu delegieren, das ist ganz wichtig, im Grunde ist das der Kern der Angelegenheit. Jetzt delegieren Sie das Gefühl, aber gerade noch haben Sie Ihre Gedanken delegiert. Warum? Sie geben ihnen Eigennamen, fällt Ihnen das auf? Hören Sie auf, Nietzsche zu sagen, wenn Sie Ich sagen wollen. Aber vielleicht wollen Sie das gar nicht, es könnte Sie sichtbar machen und sowas mögen Sie nicht. Kann ich verstehen. Kann ich gut verstehen. Wir sind hier nicht in der Therapie, da dürfen wir uns solche Schwächen ruhig leisten. Nein, ich will Ihnen Ihren Panzer nicht abnehmen, darum geht es wirklich nicht. Betrachten Sie sich ruhig als maximal offen, wenn es Ihnen weiter hilft. Im Grunde ist es egal, da haben Sie recht.

LECKEBUSCH

Nun, das haben Sie missverstanden. Der Unterschied, darauf wollte ich gerade hinaus, aber der junge Mann ist jetzt weg, der Unterschied ist total. Wenn Sie von einem System in ein anderes wechseln, erfahren Sie die Beliebigkeit, Sie erfahren sie pur. Sie können die Erfahrungen eines Systems nicht in die des anderen umwechseln – wann immer Sie das glauben, unterläuft Ihnen mit Sicherheit der Fauxpas, den Sie mit aller Kraft vermeiden wollen. Sie müssen also in die Unsicherheit des neuen Systems eintauchen, ganz und gar, um zu schwimmen. Aber das können Sie natürlich nicht. Keiner kann das. Deshalb gehen Sie vor die Hunde. Sobald Sie total offen sind, gehen Sie vor die Hunde.

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CLOSED  OPEN

SIBLA ∙ PARTNER 4

SIBLA

Ich freue mich riesig. Woher hast du diesen Anzug? Ich glaube, den hab ich schon mal gesehen. Irgendwann… Mensch, dass wir uns hier treffen! Nimmst du auch an diesem Programm teil? Ich weiß nicht, ich bin eher hereingeschneit, meine Frau, ich meine, die Frau, mit der ich zusammenlebe, ich meine, es ist mehr ein Zufall. Nein so was.

PARTNER

Du meinst, es ist eine Verwechslung?

SIBLA

Neinnein, das geht schon in Ordnung. Wer immer du bist – ich meine, wie es aussieht, kennst du mich nicht, ich sollte dich also auch nicht kennen, vielleicht ist das so, kann schon sein, ich will da jetzt nichts abstreiten. Ich freue mich trotzdem. Meine Freude ist echt, das will ich damit sagen.

PARTNER

Seien wir offen: Ich bin da, weil ich die Kohle brauche.

SIBLA

Dazu kann ich jetzt nichts sagen.

PARTNER

Das geht schon in Ordnung.

SIBLA

Ich habe mir das Programm einmal angesehen. Lockerungsübungen, Sauna, Tauchbecken – das alles kann doch nicht so schwerfallen. Ich meine, das ist auch irgendwo abgeschaut. Da habe ich mir gedacht, ich arbeite etwas vor.

PARTNER

Meine Bekannte würde das jetzt ›total süß‹ finden. Du hast vorgearbeitet? Wie geht das denn?

SIBLA

Du hast eine Bekannte? Die würde ich gern kennenlernen. Wenn du mehr auf Männer stehst…

PARTNER

Ich habe da kein Problem.

SIBLA

Baustelle. Man sagt dazu Baustelle.

PARTNER

Auch gut. Ich habe da keine Baustelle.

SIBLA

Ich schon. Meine Frau – also ich meine…

PARTNER

Schon gut.

SIBLA

Meine Frau ist ne tolle Zicke. Ich biete sie dir gern an. Du musst nur … nein. Ich verstehe. Das war jetzt auch nicht ganz ernst gemeint. Wir sind ja noch in der Lockerungsphase. Ich würde gern mit dir essen gehen. Essen entspannt total. Ich kenne da ein Lokal…

MODERATOR

Die Bar darf nicht verlassen werden.

SIBLA

Die Stimme aus dem Off. Schon gut, Big Brother, war nur ein Vorschlag. Lass uns weitermachen. Hast du eine Idee? Dann schlag was vor. Wir können auch hier anfangen. Im Grunde ist es hier gar nicht schlecht. Der Ort hat etwas … etwas … Haarsträubendes, findest du nicht? Mir jedenfalls sträuben sich die Nackenhaare. Wenn ich dran denke … Woran denken wir überhaupt? Ich meine, wer hier hereinkommt, der hat doch Hintergedanken. Hast du Hintergedanken? Gut, du denkst an die Kohle, das ist dein gutes Recht, alle denken irgendwo an die Kohle, ich meine, das ist nun nichts Spirituelles, ich meine … nichts Spezifisches. Was ist dein Spezifikum? Warum machst du das? Warum prostituierst du dich? Das muss doch geklärt werden. Dieses ganze Programm, das schieben wir jetzt mal in die Ecke. Hier geht es um uns. Ich zum Beispiel, meine Frau, also Kitty, vielleicht hast du von ihr gehört, vielleicht werdet ihr hier instruiert, Kitty ist ein Drachen. Was? Ein Lenkdrachen? Nichts davon bemerkt. Kitty ist nicht lenkbar. Nicht durch mich. Ich liebe Olivenhaine. Du verstehst mein Problem? Soll ich mich jetzt deutlicher ausdrücken oder genügt das als Hinweis? Ich liebe meine Frau, das ist keine Frage. Sind wir hier in der Partnerberatung? Nein. Also reden wir Klartext. Deine Frau, meine Frau – ein Haufen Probleme. Die Frage ist doch: ähneln sie einander? Können wir zusammenlegen? Ich bin immer sehr fürs Zusammenlegen, das erspart Zeit und Nerven. Außerdem stiftet es eine Beziehung. Nein? Du willst keine Beziehung? Also verschwenden wir hier unsere Zeit? Das hättest du gleich sagen können.

PARTNER

Wenn ich dein Partner sein soll, wenn ich wirklich dein Partner sein soll, dann legen wir jetzt einmal fest: es muss etwas geschehen. Es hilft nichts, hier tagelang herumzusabbern und nichts geschieht. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann geht es um Lust: meine Lust, deine Lust. Gut, das mit der Kohle ist mir herausgerutscht, war ein Lapsus, das kann passieren. Die Frage ist: Wie kann ich Lust auf etwas haben, wenn ich keine Lust empfinde? Ich muss also Lust empfinden, wenn ich Lust haben soll. Wenn ich dir zuhöre, dann vergeht mir die Lust.

SIBLA

Worauf hättest du denn Lust?

PARTNER

Ehrlich?

SIBLA

Wie sonst?

PARTNER

Das Ganze hier zu verschieben. War schön, dich getroffen zu haben, aber deine Kitty kann mir gestohlen bleiben. Natürlich hast du recht: Wenn Kitty dein Problem ist, dann ist sie dein Problem.

SIBLA

Kitty? Mein Problem? Ich dachte, ich könnte sie zu deinem Problem machen, das ist ein alter Trick von mir, die meisten gehen darauf ein, es ist viel Einsamkeit unter den Menschen. Das verstehst du doch? Nein? Dein Problem. Reden wir von deinen Problemen. Ich bin da sehr elastisch. Im Grunde bin ich Anbahner. Aber gut. Du willst nichts herauslassen, auch gut. Damit die Kiste hier in Schwung kommt, schlage ich vor, dass wir uns diese Standbein-Spielbein-Figuren einmal näher anschauen. Was dagegen? Nein? Ich fange dann an. Was sehe ich? Unmutsfalten? Die sind gleich weggebügelt. Was sagt uns die erste Figur? Im Ernst, was will sie uns sagen?

PARTNER

Das ist ja unerträglich.

SIBLA

Genau. Das will sie uns sagen. Nichts anderes. Bravo. Nichts anderes. Oder doch? Worauf will sie hinaus? Sie will doch auf etwas hinaus? Ich meine, das hier ist doch nicht selbstgenügsam. Get credits! Ah! Schon öffnet sich die Salztüte. Was, lieber Partner, sehen wir jetzt?

PARTNER

Ich glaub, mein Schwein pfeift.

SIBLA

Originell ausgedrückt, aber im Grunde kann man es so sagen. Kraftvolle Sprache, vor allem im Unterricht, ist erlaubt, wenn sie das Ziel näherrückt. Das Schwein pfeift also. Wessen Schwein? Dein Schwein, ganz recht. Du hast Glück, die Öffnung geschieht ganz selbsttätig, so soll es sein. So muss es im Grunde sein, wenn dabei etwas herauskommen soll. Etwas soll herauskommen, fragt sich nur was. Get credits!

PARTNER

Ein Pendel. Sehr originell. Fast schon witzig.

SIBLA

Das sind ganz alte Symbole. In Indien – warst du schon mal in Indien? Nein? schade –, in Indien findest du sie alle wieder, dagegen ist das, was du hier erfährst, armselig. Also gut, das Pendel schwingt, es schwingt zurück. Das System treibt dich, also treibst du das System. Get credits! Get credits!

PARTNER

Jetzt mal halblang.

SIBLA

Ganz recht. Nur ich und du – wo bleibt da das System?

PARTNER tippt sich an den Kopf

Hier.

SIBLA

Das ist mir zu wenig. Vergiss nicht den magischen Ort, an dem wir uns gerade befinden. Huh! Ein Ort der Veränderung.

PARTNER

Was wird das? Unterricht oder was?

SIBLA

Ich motiviere dich. Mag sein, das ist dir zu hoch, aber das legt sich. Versteh mich nicht falsch. Jede Schwingung in diesem Raum verändert dich. Sie verändert auch das System, denn es nimmt dich auf. Du bist Teil des Systems. Das ist ganz wichtig, wenn du das nicht verstehst, bist du krank. Bist du krank, ist jedes System für dich krank. Das System ist schuld. So heißt es doch, oder nicht? Das System, das ist alles, was läuft, ganz ohne dein Zutun. Dabei läuft gar nichts ohne dein Zutun. Du tust immer dazu. Nicht einmal das Universum läuft ohne dich. Nimm dich heraus und es ist verschwunden. Einfach weg, aufgelöst. Es ist dein Universum. Vergiss das nicht. Vergiss das nie. Du schwingst und das Universum schwingt mit. Das Universum –

PARTNER

Also ich mach mal Schluss. Schön, dich getroffen zu haben.

SIBLA

Das kommt jetzt etwas abrupt. Ciao. Das nächste Mal treffen wir uns woanders. Grüß deine Bekannte. Ob du’s glaubst oder nicht, du bist jetzt Teil meines Universums. Auch wenn du dein Glück noch nicht fassen kannst, ich koste die Lust, dich getroffen zu haben, in vollen Zügen. Vergiss die Regeln nicht. Hier, Regel vier: Das System will dich. Gib ihm eine Chance. Gib ihm eine Chance! Gib ihm eine Chance! Und dann: Berichte darüber! Ich will einen Bericht! Der Kerl ist doch pathologisch. Was will der hier? Kellner, Rechnung!

++++++TIME OUT  TIME OUT++++++
CLOSED  OPEN

AMA ∙ KITTY ∙ TRONKA

TRONKA

Tja, meine Damen, fangen wir an. Worum gehts? Um die Lust, nehme ich an. Ich kann mich auch täuschen, das müssten Sie mir dann beibringen. Nehmen wir an, es geht um die Lust. Lust entsteht aus Unlust, schauen Sie nicht so entsetzt, das ist so, das kann Ihnen jeder Psychologe bestätigen.

AMA

Entschuldigen Sie, wenn ich keine Lust habe, können Sie nichts daran ändern.

TRONKA

Ist das ein Vorsatz oder eine Tatsache?

KITTY

Ein Problem.

TRONKA

Wem sagen Sie das. Fragt sich, wie man es löst.

KITTY

Motivier mich.

TRONKA

Ist das eine Aufforderung?

KITTY

Ich weiß nicht.

AMA

Ach du Scheiße.

TRONKA

Was sagten Sie?

AMA

Ich sagte Ach du Scheiße. Nehmen Sie’s nicht persönlich.

TRONKA

Wissen Sie, wenn ich die Dinge persönlich nähme, säße ich jetzt nicht hier.

AMA

Warum sitzen Sie hier?

KITTY

Lass ihn doch sitzen. Willst du gleich alles kaputtmachen? So kommen wir nicht weiter.

TRONKA

Die Dame hat recht. Wir sollten alle ein bisschen abkühlen.

AMA

Abkühlen? Warum? Ich bin hier, um mich zu erhitzen.

TRONKA

Erhitzen? Worüber, wenn ich fragen darf?

AMA

Sie dürfen. Aber ich verrate es Ihnen nicht. Ich könnte es Ihnen verraten, aber dann wäre ich nicht hier. Sie verstehen das nicht, aber das stört mich nicht. Irgendwie freut es mich sogar. Eigentlich ärgere ich mich schon, dass ich gekommen bin. Dieses Huhn da… – verdirbt doch alles. Wer hat sie uns überhaupt zugeteilt? Geich als ich hereinkam, dachte ich mir: Mompti hat recht.

TRONKA

Wer bitte ist Mompti?

KITTY

Ihr Typ.

TRONKA

Inwiefern hat er recht?

KITTY

Also wenn ihr beiden jetzt vögeln wollt, kann ich mich ja verziehen.

AMA

Wir wollen nicht vögeln, Dummerchen, wir wollen uns unterhalten. Geh doch solange spielen.

TRONKA

Finden sie nicht, sie sollte dableiben? Ich persönlich würde sie zulassen. Das ist jetzt nur so ein Gefühl. Aber ich fühlte mich … bedrängt, ja, bedrängt, wenn wir die die Konstellation ändern wollten. Vielleicht nur ein Zufall, wer weiß, ein Würfelwurf der Projektleitung, aber wenn wir sie jetzt verändern, schleifen wir eine Trennung mit und das könnte fatal werden.

KITTY

Welche Trennung?

TRONKA

Nennen Sie es Abscheidung, nennen Sie es, wie Sie wollen, aber bleiben Sie. Sie wollen doch dabeisein, oder? Sonst wären Sie doch nicht hier? Ich für meinen Teil begrüße Ihre Anwesenheit sehr. Das ist kein Kompliment, das ist eine Tatsache. Darf man hier Komplimente machen? Ich denke schon. Was nicht verboten ist, das muss erlaubt sein. Oder auch nicht. Man kann sich da irren. Darf man Ihnen Komplimente machen?

KITTY

Wow. War das jetzt ein Kompliment?

CLOSED  OPEN

AMA ∙ KITTY ∙ TRONKA

KITTY

Jetzt mal ehrlich: bist du schwul?

TRONKA

Ich? Wunderbar, wie Sie das sagen. Ich nehme an, das ist eine Fangfrage. Wie kommen Sie überhaupt darauf? Sie meinen … weil ich ohne Mann da bin? Sie meinen, ich hätte ihn vergessen? Köstlich. Darauf gehen wir ein Eis essen. Ich lade Sie ein. Ehrlich, ich lade Sie ein. Ihre direkte Art gefällt mir.

AMA

Das könnten Sie ruhig etwas weniger direkt ausdrücken, Herr…

KITTY

Keine Namen!

AMA

Bist du verrückt? Ich will diesem Kerl Manieren beibringen und du fährst mir in die Parade? Wenn ich einen Namen erfahren will, dann ist das meine Angelegenheit. Im übrigen interessiert mich sein Name nicht. Es war nur so eine Gewohnheit. Man will schließlich wissen, mit wem man zusammensitzt. Ich setze mich auf keinen schmutzigen Stuhl.

TRONKA

Lust, meine Damen! Es geht um die Lust. Lust entsteht aus Unlust. Soweit waren wir schon. Die erste Lust ist die Streitlust. Streiten Sie sich ruhig, was das Zeug hält. Glauben Sie mir, das hat alles seine Funktion. Aus Streitlust entstehen die größten Projekte. Beweisen Sie’s mir! Beweisen Sie mir irgendwas, es muss ja nichts Großes sein. Größe kommt von allein, die spielt gar keine Rolle.

AMA

Ich fürchte, Sie haben einen großen Sparren.

KITTY

Keine Beleidigungen. Als ich hier vorhin hereinkam, dacht ich mir: Die beiden sind schon miteinander verständigt. Da lag so ein … Einverständnis im Raum, ich konnte kaum atmen. Das brichst du nie auf, dachte ich mir. Jetzt bin ich froh. Das mit der Streitlust verstehe ich. Ich streite mich oft und nachher geht es mir besser. Ob daraus etwas entsteht, weiß ich jetzt nicht.

TRONKA

Muss ja nicht.

KITTY

Muss nicht. Aber es wäre schon schön. Mach einen Vorschlag.

TRONKA

Da fällt mir gerade…

AMA

… nichts ein. Mir schon.

KITTY

Lass hören.

AMA

Ich weiß nicht. Es geht mir gerade so durch den Kopf. Wir könnten den Maestro mit Vollzug überraschen.

KITTY

Wie in alten Zeiten?

AMA

Wie in alten Zeiten. Ich weiß nicht, wie deine alten Zeiten ausgesehen haben, ich frage auch nicht, aber ich verstehe, was du meinst.

TRONKA

Darf ich … darf ich Sie etwas fragen?

AMA

Nur zu.

TRONKA

Habe ich Sie richtig verstanden? Meinen Sie jetzt … was ich meine?

AMA

Sie meinen, ich meine, Sie meinen? So läuft das nicht. Meinen Sie ruhig, was Sie meinen, ich meine, Sie können gar nicht so viel meinen, wie ich meine, dass Sie meinen sollten. Wenn Sie aber meinen, ich meinte, gibt’s eins auf die Fresse. Damit das klargestellt ist.

TRONKA

Und Sie meinen…?

KITTY

Sie ist sauer. Ich übrigens auch.

TRONKA

Na Gott sei Dank.

++++++PAUSE  PAUSE++++++
CLOSED  OPEN

AMA ∙ ELISABETH

ELISABETH

Was haben wir zwei uns zu sagen?

AMA

Viel.

ELISABETH

Sie verstehen mich nicht. Ich schätze die Kunst Ihres Mannes. Ich weiß, wer Sie sind, aber ich weiß nicht, was Sie sind. Sind Sie Künstlerin? Sind Sie Bankfrau? Sind Sie Masseuse? Ich nehme nicht an, dass Sie von morgens bis abends an der Kasse sitzen. Aber vielleicht sind Sie die Türhüterin Ihres Mannes. Für mich haben Sie keine eigene Existenz. Ich wundere mich, dass wir hier zusammentreffen. Wer hat das arrangiert? Ist das eine Intrige?

AMA

Ich liebe Sie.

ELISABETH

Junge Frau, reißen Sie sich zusammen. Wir sitzen hier nicht zum Vergnügen. Warum sitzen wir hier überhaupt? Weil wir uns dazu entschlossen haben, die Sache mit den Männern noch einmal gründlich zu durchdenken. Vielleicht ist ›durchdenken‹ auch nicht der richtige Ausdruck, ›durchbuchstabieren‹ wäre in diesem Fall besser, aber wen kümmert das Alphabet? Das Alphabet der Lüste … ich weiß nicht, das klingt bereits wieder männlich. Papperlapapp. Wo waren wir stehengeblieben? Sie lieben mich. Wie geht’s jetzt weiter? Kennen Sie mich? Woher kennen Sie mich? Haben Sie mein Bild in der Zeitung gesehen? Sind Sie so eine?

AMA

Als ich hier hereinkam, wusste ich: das ist sie.

ELISABETH

Dann gehen Sie besser wieder hinaus.

AMA

Scharf. Höhnisch. Und doch so weich. Sie sind wie ich: Sie können sich nicht verbergen. Ich meine Ihr Wesen. Sie sind meine Abgöttin.

ELISABETH

Ich werde bald Ihr Albtraum sein. Reißen Sie sich zusammen.

AMA

Öffnen Sie sich. Warum fällt es Ihnen so schwer? Ich weiß, Sie sind weit offen. Sie können es nicht verleugnen. Sie können Ihre Natur nicht verbergen. Als ob es nur Natur wäre. Aber es ist viel mehr. Es ist … mehr als das. Fangen Sie mich auf. Ich springe jetzt: Fangen Sie mich auf? Sie müssen es nicht, nein, so ist das nicht gemeint, ich komme immer wieder auf die Füße, aber in diesem Augenblick … schließe ich die Augen und träume.

ELISABETH

Sagen Sie nicht, Sie sehen mich mit geschlossenen Augen.

AMA

Woher wissen Sie das? Ja, so ist es. Meine Augen sind weit geschlossen.

ELISABETH

Sie kommen aus dem Kino.

AMA

Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich komme von irgendwoher. Ist das wichtig? Ich bin Ama, die Zweitfrau. Nein, die zweite Frau. Kennen Sie das? Waren Sie einmal in Ihrem Leben zweite Frau? Wissen Sie, wie sich das anfühlt? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht naiv. Ich habe Männer gehabt… Schwamm drüber.

ELISABETH

Worüber beschweren Sie sich?

AMA

Ich beschwere mich niemals.

ELISABETH

Aber Sie beschweren sich.

AMA

Richtig. Ich mache mich schwer.

ELISABETH

Warum? Sie sind eine aparte Frau. Sie könnten es sich leicht machen.

AMA

Das hätte er gern. Das hätten sie alle gern. Eine Frau, die nicht aufträgt – die hätten sie alle gern.

ELISABETH

Und Sie? Wollen Sie nicht gern gehabt werden?

AMA

Ich will geliebt werden, ja. Aber das ist nur der Anfang. Eigentlich bin ich es satt. Es müsste endlich … weitergehen. Kommen Sie mit mir auf die Insel. Ein einziges Mal! Wir werden im Schilf nach den Eiern der Rohrdommel suchen. Kennen Sie den Ruf der Rohrdommel? So scharf und gleichzeitig … so tief, so einverstanden. Ich möchte einmal in meinem Leben einverstanden sein.

ELISABETH

Sind Sie das nicht?

AMA

Was? Einverstanden? Wenn ich das wäre, gute Frau, wäre ich nicht hier. Ich gehöre nicht zu denen, die ihren Verstand verlieren, bloß aus Versehen oder weil die Verlockung überhandnimmt. Was mich lockt, sind andere Dinge. Ich bin gut im Kopfrechnen, das bringt einen gleich in eine vorteilhafte Position, aber am Ende verwirren sich die Zahlen und nachts, nachts liege ich wach und…

ELISABETH

Und?

AMA

Darüber möchte ich eigentlich nicht reden. Es ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir uns gefunden haben. Wir haben uns gefunden, nicht wahr?

ELISABETH

Kind. Natürlich haben wir uns gefunden. Wie sollten wir uns nicht gefunden haben? Hier und heute, an diesem Ort haben wir uns gefunden. Egal, wie es vorher war, es ist vorbei. Nichts kann uns beide aufhalten. Ist es das, was Sie hören wollten?

AMA

Es klingt so … peinlich. Trotzdem. Mir ist, als ordne sich mein Leben in diesem Augenblick neu. Ich sehe Wege, ganz neue Wege nach allen Richtungen. Wir können gehen, verstehst du? Wir können überallhin. Wir zwei können überallhin. Kann man sich hier irgendwo schminken?

ELISABETH

Da drüben. Haben Sie Kinder?

AMA

Ich hätte einen Sohn haben können. Warum fragst du das? Man hat mir eine Schwangerschaft nahegelegt, als handle es sich um eine Reise nach Mallorca. Ein richtiges kleines Schnäppchen. Das soll ja schön sein. Aber man hört auch anderes. Ich habe immer auf die Stimmen der anderen gehört, dann habe ich einen Strich gemacht und zusammengezählt. Und unter dem Strich –

ELISABETH

Ja?

AMA

Unter dem Strich kam immer dasselbe heraus.

ELISABETH

Das verstehe ich jetzt nicht. Was kam heraus?

AMA

Du verstehst mich gut. Wir lassen uns nicht binden. Deshalb sind wir jetzt hier.

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CLOSED  OPEN

MOMPTI allein

MOMPTI

Ich habe es gewusst, sie lassen einen warten. Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich. Ja? Nichts. Das könnte Ama sein. Nein, es war nichts. Schicken sie mir einen Kerl? Man kann nie wissen, welches Bömbchen gleich neben einem explodiert. Schon dass ich Selbstgespräche führe, dürfte geplant sein. Sie zeichnen alles auf, sonst ergäbe das keinen Sinn. Vielleicht ist es auch nur Schlamperei und ich spreize mich hier umsonst. Hallo? Hallo? Geht’s noch? Nur herein, hier findet die Konferenz der Tiere statt, die Konferenz Ihres Lebens, wir verhandeln hier Ihre Zukunft, was nicht ist, kann noch werden. Was sage ich? Es muss werden. Also setzen Sie sich hin. Neinnein, setzen Sie sich erst einmal hin. Setzen Sie sich hin. Setzen Sie sich! Das war knapp. Stuhlsitzen ist eine Kulturtechnik, wussten Sie das? Ja, es ist viel Hass in mir. Was sagten Sie? Hass? Ich bin Künstler, müssen Sie wissen, in mir schäumt alles über. Auf die ruhige Art, wie denn sonst. Wenn ich dabei den Griffel nicht halten könnte, müsste ich zum Theater. Da wollen wir doch nicht hin, oder? Brav, brav. Halten Sie Ihre Affekte unter Kontrolle. Ja … sage ich doch. Effektkontrolle ist das A und O des Lebens. Sie leben doch oder? Ich meine, was man so leben heißt. Andere leben vor und Sie leben hinterher, wir alle leben ein wenig hinterher, man kommt kaum damit nach, war es das, was Sie hertrieb? Wollen Sie vorne leben? Komische Idee, ist mir nie gekommen. Künstler sind saumselig. Sie ändern sich nicht und schon hat sich alles verändert. Nein, Künstler ändern sich nicht. Warum? Sie leben zu nah am Trieb und der ist immer derselbe. Künstler sind Triebtäter, insofern … ist das hier eine prekäre Situation. Nein, nicht für mich, nicht für mich. Für Sie? Das müssen Sie doch wissen. Geben Sie so einem den kleinen Finger und er reißt Ihnen die Hand heraus. Oder den Arm. Oder… Da kommen wir der Sache schon näher. Ich muss das zeichnen. Ich muss… Ich muss hier raus. Ich ersticke. Ich bekomme einen Anfall. Halten Sie das fest! Ich bekomme Anfälle, ich pflege Anfälle zu bekommen, wie hört sich das an? Nichts ist vor mir sicher. Retten Sie Ihr Mobiliar. Ama! Wo ist Ama? Ich komme nicht ohne sie aus, müssen Sie wissen. Ich komme nicht ohne sie aus. Sie war hier, ich rieche das. Ich kann sie schmecken. Ama ist Ama. Was geht mich Ihr Geschwätz an. Scheren Sie sich zum Teufel. Diese Frau dort draußen, bitten Sie sie herein. Ich möchte ihr etwas sagen. Ja, ich möchte ihr etwas sagen. Etwas, das ihr einleuchtet. Es wäre mir lieb, wenn ich es ihr sagen könnte, ich trage es schon lange mit mir herum, ich muss es einmal loswerden. Wo? Hier? Natürlich hier. Was das ist? Scheren Sie sich –! Auf Ihrem Arsch möchte ich nicht frühstücken. Nein, ich finde allein hinaus. Nein, ich will jetzt nicht gehen. Nein, ich will, dass diese Dinge geklärt werden. Und zwar jetzt. Ein für allemal. Sie sind ein Schwätzer. Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber Sie sind ein Schwätzer. Sie vergeuden meine Zeit. Was? Ihre auch. Ja, Ihre auch. Würde ich mal sagen. Ach wissen Sie, das haben schon viele gemeint, behalten Sie Ihre Meinung für sich. Wen interessiert schon Ihre Meinung. Ich will mich nicht mit Ihnen auseinandersetzen. Sie sind nichts, verstehen Sie, nichts! Scheren Sie sich zum Teufel. Das tut gut, tief Luft holen und noch einmal: Scheren Sie sich zum Teufel! Dort gehören Sie hin.
Endlich allein. Wenn ich durchatme, verbrauche ich Sauerstoff, wenn ich Sauerstoff verbrauche, produziere ich CO2, wenn ich CO2 verbrauche, schade ich dem Weltklima, wenn ich dem Weltklima schade, schade ich mir, wenn ich mir schade, muss ich durchatmen, wenn ich durchatme, schade ich dem Weltklima, wenn ich dem Weltklima schade, helfe ich der Umweltindustrie, also bin ich ein Bestandteil der Umweltindustrie, also helfe ich der Umwelt, wenn ich mir schade, also muss ich mir schaden, was das Zeug hält, dann sind wir alle fein raus. Ich sage nur: Zigarillos! Was ich von der Kunst halte? Ganz kleine Stücke. Das lernt sich praktisch von allein. Brosamen vom Tisch des Herrn. Ich gehe nicht ins Museum, denn ich käme nicht mehr heraus. Wer will sich das anschauen? Wer schaut sich das an? Gediegene Leute, nehme ich an. Ein paar Trottel sind auch dabei, Kunst zieht die Trottel an, das kennt man. Aber gediegen. Diese Krawatten, mich würde schon interessieren, wie sie die befestigen. Jeder hat da sein kleines Geheimnis, ich möchte jedem Einzelnen an die Gurgel gehen, aber keiner lässt mich an sich heran. Oder doch? Ich probier’s noch. Sie sollten die Krawatten allein ins Museum schicken, das wäre gediegen. Zusammen mit den Handtäschchen ihrer Gattinnen, auffallen würde das. Ich will jetzt gehen. Gleich kommen die Krawatten und die Handtäschchen hereinspaziert und laufen um mich herum. Eine solche Situation will ich vermeiden, sie wäre mir peinlich. Bin ich die Kunst? Nein, ich bin Mompti. Ich verstehe nicht, was mich hier hält. Ich verstehe nicht, warum ich in einem fort rede. Her mit den Aufzeichnungen! Sie gehören mir. Ich will, dass sie gelöscht werden. Ich will meine Stimme löschen. Das soll alles gelöscht werden. Ich werde nach Hause gehen und meine Zeichnungen verbrennen. Ich verbrenne Geld. Ich mache meine Zeichnungen zu Geld und verbrenne sie. Wenn ich Geld verbrenne, mache ich mich strafbar. Wenn ich ins Museum spaziere und meine Bilder verbrenne, mache ich mich strafbar. Warum? Warum will ich das? Weil Ama dann einen Herzinfarkt bekommt? Vielleicht kommt sie dann ja frei. Ich will, dass sie frei ist. Ich mache sie frei. Ama komm her. Wie soll ich dich freimachen, wenn du nicht kommst? Wir zwei halten die Kunst am Laufen. Ich mache dich frei und du läufst herum und erzählst, dass du dich frei machen musst. Das erzählst du doch, oder? Das ist unsere Story, wir haben sie nicht erfunden, aber sie uns. Sie hat uns erfunden und erfindet uns immer noch. Sie kann nicht aufhören. Das ist ihr Geheimnis: Sie kann einfach nicht aufhören. Es wäre schön, wenn sie einfach aufhörte: Wir hatten das jetzt, lasst uns von etwas anderem reden. Aber es gibt kein Anderes. Die Story hat alles vom Tisch geputzt, jetzt ist er leer. Reden wir von etwas anderem.
Hier bin ich sicher. Mompti, du feige Socke. Bring mich nach Hause. Gehts noch?

++++++STOPP  STOPP++++++
LEFT WING  RIGHT WING

TRONKA ∙ DER UNGENANNTE

DER UNGENANNTE
Von welchem Planeten…?

TRONKA
Du meinst, von welchem wüsten Planeten mögen sie eingeflogen sein, um vor uns die lasziven Tänze der Unschuld zu tanzen? Da kannst du lange warten, bis sie davon zu erzählen beginnen. Das ist das Riesenproblem: der verschluckte Beginn.

DER UNGENANNTE

Zu Recht. Das sagt der Schluckspecht in mir. Die Anfänge liegen im Trüben.

TRONKA

Oder unter einer Käseglocke. Da fällt mir ein, woher kennst du sie überhaupt?

DER UNGENANNTE

Ist das jetzt wichtig? Ich meine: Ist dir das existenziell wichtig? Wenn du willst, können wir auch die Plätze tauschen.

TRONKA

So laute Musik hier. Ich glaube, du verstehst mich nicht. Vielleicht verstehst du mich auch ganz gut.

DER UNGENANNTE

Was man so verstehen nennt.

TRONKA

Worauf ich hinauswill…

DER UNGENANNTE

Behalts für dich. Der Abend ist für die Frauen da. Lass sie wählen. Sei einfach du. Wenn du das nicht fertigbringst: Ausklinken! Manchmal hilfts.

TRONKA

Die Crux dabei ist, die meisten wollen doch gar nicht wählen. Sie wollen, dass man sie wählt. Sie wollen gewählt werden und streiten es wütend ab.

DER UNGENANNTE

Einer muss wählen, sonst gehen sie sich gegenseitig ans Zeug. Siehst du die beiden da links? Keine von ihnen hat mich im Visier. Aber sie wissen bereits, dass ich sie sehe.

TRONKA

Ich habe gewählt und meine Wahl ist null und nichtig. Warum habe ich gewählt? Weil eine mich gewählt hat. Hat sie mich gewählt? Ich war auf Empfang und sie war das Geräusch. Starker Sender. Bis heute ist es mir nicht gelungen, ihn sauber reinzubekommen. Ich habe immer gedacht: Das ist deiner. Hilversum. Das magische Auge der Kindheit. Wenn du ihn sauber empfängst, sendet er nur für dich. Abend für Abend. Also mach dich ran. Mein Sender, mein kostbarer Sender, wie sollte ich ihn nicht lieben?

DER UNGENANNTE

Sie bewegt ihren Arsch, als hättest du sie berührt. Ein bewegender Anblick. Streng dich nicht an, du findest sie nicht. Nein, Mädchen, das ist mein Blick, der dich verfolgt. Sie fühlt sich verfolgt und es tut ihr gut. Etwas stimmt nicht, das macht sie unruhig. Sie ist zu unruhig. Red’ weiter, alter Knabe. Blick nicht hin, du errätst nicht, welche ich meine. Nein, das errätst du nicht. Es hat keinen Zweck. Dein Blick, mein Blick, wo ist der Unterschied? Dir ist ein Leid widerfahren. Also bleib beim Thema. Bleib beim Thema, das tut dir gut. Ich hör dir zu und mein Blick ist bei dieser Frau. Sie hat ihn eingefangen, jetzt folgt er ihr wie ein Hund. Vielleicht sollte ich heute Nacht mit ihr schlafen. Im Moment könnte ich es mir vorstellen. Sie wird mich nicht fragen, es wird sein, als schliefe sie mit dir.

TRONKA

Hört sich an, als kämst du aus diesem Schnitzler-Stück. Gerade fällt mir der Titel nicht ein. Wie war der Titel? Kommt aber wieder. Solche Aussetzer passieren einfach, was solls. Kultur ist eine Sammlung von Aussetzern.

DER UNGENANNTE

Jetzt hat sie’s. Klasse Inszenierung. Das Bühnenbild soll exquisit sein. Vielleicht geh’ ich noch rein.

TRONKA

Erste Sahne. Was läuft im Kino? Was läuft überhaupt? Ich meine, was läuft zwischen dir und Angelika? Warum bringst du sie nicht einfach mit?

DER UNGENANNTE

Wer weiß, wer sie mitbringt? Ich, er, ist das wichtig? Sie fühlt sich nicht wohl. Warum wohl? Sie liebt Schauspieler. Im Fernsehen läuft heute ihr Lieblingsfilm. Welcher? Keine Ahnung. Dazu wechselt er einfach zu oft. Aber ich weiß schon, welchen Fuzzi sie im Visier hat.

TRONKA

Ich versteh dich nicht. Es ist zu laut hier. Wenn du mit Pida geschlafen hast, ist das eine Sache zwischen ihr und dir? Oder zwischen mir und ihr? Ich könnte dir meinen Ellbogen in den Bauch rammen, es kommt mir nicht darauf an. Lächerlich, nicht wahr? Absolut lächerlich. Immerhin hast du meine Abwesenheit ausgenützt. Das nenne ich höflich.

DER UNGENANNTE

Die Leiden der Generation sind die Leiden der Menschheit. In der Summe bleibt sich das gleich. Alle Versuche, originell zu sein, vergrößern bloß den eigenen Anteil. Ich kann darin keinen Vorteil erkennen. Aber vielleicht hilft mir ein anderer dabei.

++++++WEITER  WEITER++++++
TOP DOWN  BOTTOM UP

TRONKA

Nichts sehen, nichts hören, nichts riechen, nichts tasten. Be nothing. Nur der Geschmack ist Scheiße. Woher? Schwer zu sagen. Tronka, hiermit erteile ich dir Redeverbot. Mach dich nicht lächerlich. Du solltest schlafen. Morgen heißt es locker sein. Die Nacht ist kurz und die Frau geht fremd. Geht sie? Das geht dich gar nichts an. Katzenkrallen. Sie ist nicht da und das ist ihr Recht. Basta. Müsstest du sie irgendwo vom Straßenrand klauben, du wärest unendlich dankbar. Vielleicht musst du es noch, da wäre eine Mütze Schlaf gar nicht schlecht. Gar nicht schlecht. Du könntest dich, schlaflos wie du bist, jetzt an den Schreibtisch setzen. Könntest du? Mach dir nichts vor. Du bist dir zu schwer. Als Pfleger eine Null. Als Pflegefall ohne Bedeutung. Schrei’s in die Nacht: Ohne Bedeutung. »Die Wahrheit über Tronka«: Du-bist-eine-Null. In beiderlei Gestalt. Wo bleibt die dritte? Die dritte Gestalt ist die wahre. Du kannst sie erfinden oder sie sucht dich heim. In einer solchen Nacht schweigt jede Erfindung. Mach dir nichts vor. Wie geht das? Gar nicht, und weiter? Eine Frau, die mit sich selbst schwanger geht, hält es nicht im Haus. Nimm einmal an, sie bringt sich zur Welt: Wo wird das sein? Wann wird das sein? Wie viele Arme benötigt deine Frau, um sie selbst zu sein? In dieser Nacht sind alle Häuser fremd. Deine Nacht, meine Nacht, das wären schon zwei. Sie geht in fremde Häuser. Das ist ihr Recht. Du darfst dir kein Bild machen. Darfst du nicht. Sagt sie. Mach dir ein Bild und sie ist schon weg. Stell dich dumm, stell dich blind. Wie lebt es sich: dumm und blind? Mach dich nicht zum Narren. Mach dich nicht zum Narren. Was will sie da? Lust? Verrat’s dir: Lust? Wieviel Lust steckt in fremden Häusern? Geteilte Lust ist doppelte Lust. Nicht für jeden. Nicht für jeden. Diese Lust zerrt an dir. Zerrt dich. Dort ist die Schwelle. Wo du kriechst, da ist Waberlohe. Kriechtier, sei wachsam. P-i-d-a: fehlt noch der Daumen. Wo steckt der Daumen? Tief in ihr drin. Die Tiefe der Emotion ergibt sich aus dem Quadrat der Bewegung. Eine Hyperbel. Ein Philosoph denkt nicht in Hyperbeln, er löst sie auf. Wie lautet die Lösung? Keine Lösung in Sicht. Der Narr im Spiel: Zieh ihn heraus. Wo sitzt der Kork? Sitzt er fest? Wie fest? Fest.

++++++FALSCH  FALSCH++++++
Veränder=Bar
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